auf ein Bier mit Michael „Ele“ Koch, Frank Klein, Lemmy Lemm und Chris Weidler

Wir vier haben uns auf ein virtuelles Bierchen getroffen und unsere Gedanken aus der Sicht von Musiker, Veranstalter und Konsument zu verschiedenen Themen miteinander geteilt. So geht es um die eigene Anfangszeit in der Szene, die Szene damals und heute, die Musik, die Zukunft unserer Subkultur und einiges mehr. Viel Spaß dabei!

Ele, wir kennen uns ja schon seit der Anfangszeit der »Lennerockers«. Ihr hattet damals mit eurer Band einige Konzerte hier in Cuxhaven gegeben und es hatte sich zwischen euch als Band und uns hier in Cuxhaven eine private Freundschaft entwickelt. Ich kann mich noch daran erinnern, wie z.B. an unsere Wohnszimmerkonzerte und wie ich bei euch in Hohenlimburg war und wir mit einigen Bierchen oben bei euch auf einer Burgruine gegrillt haben. Da war auch noch eine englische Band dabei und es war ein super Wochenende gewesen. Mir hatte damals, und das ist bis heute so, eure Begeisterung für die Musik und euer musikalischer Stil sehr gefallen. Und euer Erfolg riss nicht ab und ihr tourtet bis zum Ende der »Lennerockers« im Jahr 2016 durch die ganze Welt. Nur als ein paar Eckdaten: über 2.200 Konzerte in 20 Ländern und mehr als 50 000 verkaufte Tonträger. Wenn ich das richtig weiß, dauerte es damals nur eine kurze Zeit und nach drei Wochen Proberaum kam schon der erste Auftritt der »Lennerockers« zustande. Wie war aus deiner Sicht deine musikalische Anfangszeit und wie bist du zum Rock’n’Roll gekommen?

Ele: Mich hat der Rock`n`Roll im Jahre 1979 eingefangen. Ich war 13 und saß vor dem Radio und hörte mir im WDR die aktuellen Neuvorstellungen der Charts an. (damals noch Hitparade genannt). Da kam dann „Rockabilly Rebel“ von Matchbox! Das hat mich vollkommen weggeblasen und die Nummer ist bis heute der wichtigste Song meines Lebens. Im Februar 1984 haben wir dann die »Lennerockers« gegründet und es begann für mich eine abenteuerliche, musikalische Reise, von der ich bis heute noch immer nicht zurück bin. Seit sieben Jahren heißt das Gebilde nun »LenneBrothers Band«. Mit der Truppe haben wir auch schon wieder über 300 Gigs gespielt. Letztes Wochenende waren wir in England und haben beim „Wildest Cats Xmas“-Festival in Pakefield gespielt und unter anderem mit Matchbox ordentlich abgefeiert. Das hätte ich mir 1979 vor dem Radio echt nicht träumen lassen. Aber manchmal schließt sich der Kreis.

Und gleich als nächste Frage, ihr steht im Guinness-Buch der Rekorde mit dem Eintrag „das höchste Konzert – Flughöhe 11.948,16 Meter“, das ihr in einer eigens gecharterten Maschine während einer Fanreise nach Mallorca absolviertet. Und des weiteren seid ihr ebenfalls für das tiefste Rock’n’Roll-Konzert in der Musikgeschichte verantwortlich: 502 Meter unter Tage in dem Erlebnis-Bergwerk Merkers im Thüringer Wald bei Eisenach. Wie kommt man auf solche Ideen?

Ele: Die Idee zu den Rekord-Konzerten im Flugzeug und im Bergwerk hatten wir nicht selbst. Zu der Zeit gab es eine Booking-Agentur, die sich „Vision of Events“ nannte und deren Meister J.D.Lütz suchte nach einer Band, die jeden noch so verrückten Scheiß mitmacht. Da kamen wir dann ins Spiel. War am Anfang auch ganz lustig, aber irgendwann drehte der Typ am Rad.
Da kann sich Lemmy bestimmt noch an ein krudes Telefonat mit Lütz erinnern, als unser „Rockabilly Circus“ terminlich mit dem Brandenburger Festival kollidierte. Na ja, auf jeden Fall haben wir uns kurz danach von „Vision of Events“ getrennt und der ganze Budenzauber war Geschichte.

Lemmy: Schon fast vergessen … Diese Agentur legte ein Weekender genau Anfang August auf unseren Brandenburger Meeting Termin, wenn ich mich richtig entsinne in der Nähe von Burgdorf. Zwei Tage mit auch recht guten Bands. Ich weiß gar nicht mehr, wer wen angerufen hatte, aber in einem persönlichen Gespräch erklärte mir der Knabe sinngemäß, dass wir unseren Termin, welcher schon jahrelang immer am ersten Augustwochenende stattfand doch zu verschieben, da er bzw. seine Agentur genügend finanzielle Mittel hätte dies zu verkraften, wir aber ja wohl eher nicht. Darauf hin riefen wir zu einem großen Boykott von deren Veranstaltung auf, incl Flugblätter, auf denen wir namentlich von fast allen bekannten und aktiven deutschen Bands, DJ‘s, Veranstaltern und RnR Labels unterstützt wurden. Auch einige Ausländer schlossen sich an. Auch wurden auf anderen Veranstaltungen gezielt die Werbung von denen entsorgt! Damals kannte sich fast alle noch persönlich und es gab einen Zusammenhalt in der Szene!

Frank, seit den 90ern als Sänger mit den »Heavy Teddys« unterwegs, Gründungsmitglied und ehemaliger Sänger der »Lunatics« und du stehst mit deiner Musik für Spaß, direkte Texte und bringst mit eurer Musik jeden Saal zum Brodeln. Einfach klasse, ich liebe eure Musik! Wie bist du zu der Rock’n’Roll Musik gekommen und wie war deine Anfangszeit als Musiker?

Frank: Erstmal singen tue ich schon seit Kindheitstagen, schon mit sechs Jahren hab ich schon vor Publikum im Karneval gesungen. Durch meine Eltern, besonders meine Mutter mit ausgebildeter Stimme hat mich daran geführt. Zum Rock`n`Roll bin ich tatsächlich durch Ted Herold gekommen. Mein erstes Lied was ich gehört habe, war Dixiland Rock. Und von da an war diese Art von Musik halt immer ein Thema von mir. Irgendwann war ich in Köln, so 1988, mal in unserer Stammdisco LaLic gewesen. Ich hatte schon ein Paar Bier drin und hab halt so aus Spaß ein Lied von Rudi Carell gesungen. Mich sprach dann damals der Kasi an und meinte: „Eh, du kannst ja ganz passabel singen, hast du nicht Lust morgen am Sonntag mit uns in Bonn in ein Studio zu kommen und so drei Lieder einzusingen.“ Er sagte, er hätte auch noch einen sehr guten Gitarristen, das war dann übrigens der Mark. So stand ich also am nächsten Tag im Studio und hab aus dem Stegreif mit dreimal vorher die Lieder anzuhören, ohne Englisch zu können (das hat sich bis heute nicht geändert), drei Songs in Englisch eingesungen. Und so kam es dann das ich Sänger von einer ROCKABILLY BAND wurde. Zum deutschen ROCKABILLY bin ich allerdings durch die Panhandle Alks gekommen. Einmal angehört und direkt gesagt sowas in der Art will ich auch machen.

Seit der Coronazeit haben sich die »Heavy Teddys« in puncto Auftritte etwas rarer gemacht. Ich glaube, ihr sagtet mal, der Grund hierzu liegt bei dem Überangebot der Konzerte und der leider daraus resultierenden geringen Resonanz des Publikums. Stimmt das so, oder hat das ganz andere Gründe?

Frank: Im Grunde stimmt das. Die Leute sind, aber auch meiner Meinung nach, alle satt. Es gibt ja auch kaum noch Junge Leute, die den deutschen Rockabilly hören wollen. Die Leute sind halt mit alt geworden und es kommen nicht viele junge Leute hinterher. Wo früher noch 140 Leute standen, stehen heute noch 40 Leute rum. Es lohnt sich ja finanziell auch gar nicht mehr. Da Grischa und Mark dieses ja beruflich tun und ihr Geld damit verdienen, können sie halt nicht immer bei den Teddys spielen. Wenn ein schöner Auftritt angefragt wird und alle dann tatsächlich Zeit haben, spielen wir natürlich gerne. Ein Grund ist aber auch, dass es mir gesundheitlich nicht gut ging und ich erstmal das Jahr über mit mir selber beschäftigt war, um wieder gerade zu kommen.

Lemmy, auch ein Urgestein der Rock’n’Roll-Szene, seit Jahren verantwortlich für klasse Festivals und Konzerte hier im norddeutschen Raum. Wie war dein Weg zu der Rock’n’Roll Musik und wie bist du in die Rolle des Veranstalters gerutscht?

Lemmy: Also erstmal zu meiner Person und wie wurde aus Klein-Timo der Lemmy!?
Ich, Timo Lemm, wurde 1968 in West-Berlin geboren und war am 20.10.1983 das erste Mal beim Frisör, um mir ne Elvis-Locke schneiden zu lassen. Dieses Datum hat sich bei mir eingeprägt, da ich genau 1 Jahr später zum ersten Mal Matchbox in einer alten Veranstaltungslokation, dem Sudhaus in Berlin sah. Mein erster Spitzname war kurzzeitig „Goofy“ wegen meiner großen Füße, aber da gab es schon einen Alt-Ted der so hieß und das war zu damaliger Zeit nicht gut denselben Namen zu haben. Nicht mal aus Sicht von Verwechslungen, sondern eher aus dem Grund „Es kann nur einen geben“ und ich zu dieser Zeit noch ein kleines schmales Männchen war. Ich bin in meiner Anfangszeit, noch gut einen Kopf gewachsen. Also wurde ich zum Lemmy, wie ich durch meinen Familiennamen schon in der Oberschule und während der Lehre genannt wurde und nicht, wie bis heute noch oft vermutet wird, wegen Lemmy von Motorhead. Mein Veranstaltungsgebiet ist aber eher Berlin und Brandenburg, im Norden hatte ich nur 15 Jahre das Booking für das „Rockabilly Earthquake“ in Bremen gemacht.

Wie kam ich zum R‘n‘R!?
Vermutlich wie viele damals durch Elvis. Bei mir fing es schon zu Grundschulzeiten an, ich würde behaupten so in der 5 Klasse, so mit ca 10 Jahren, da saß ich mit meiner Mutter vor dem TV und irgendein Elvis Film wo er mit Cowboyhut dann irgendwelche Lieder sang. Ich muss gestehen, ich weiß heute nicht mehr, welcher Film das damals war.
Jedenfalls sagte ich zu meiner Mutter das mir diese Cowboymusik gut gefällt. Meine Mum sagte dann, das ist Rock`n`Roll und das ist Elvis und holte gleich nach dem Film ihre RCA Doppel-Lp von ihm raus und spielte diese mir vor, anschließend noch ihre Single von Ted Herold mit Moonlight. Diese befinden sich heute noch in meinem Besitz und waren damit mein erstes Vinyl. Ab diesem Zeitpunkt bekam ich dann auf meinen Wunsch zum Geburtstag und Weihnachten immer Kassetten (meist von EUROPA) mit Bill Haley, Little Richard, Chuck Berry, etc. aber natürlich auch Elvis, Johnny, Chubby Checker und irgendwelche Sampler. Diese Musik hat mich also fast mein ganzes Leben begleitet, nur ca 80-83 war ich voll im Deutsche Welle Wahn, ich hatte alle Kassetten, die es davon gab. 😉
Aber seit dem 20.10.83 gab es für mich dann keine andere Musik mehr, nicht mal ein Radio habe ich besessen geschweige denn gehört! Zu dieser Zeit fing ich dann auch an mir die ersten Platten zu kaufen, erst die, wo ich zuvor die Kassetten hatte, aber auch sofort Buddy, Gene, Eddie, etc die ersten SUN-Sachen und nach Elvis war dann mein zweites Idol Gene Vincent. Viel damals auf Flohmärkten wo man zu dieser Zeit echt noch viel und gutes bekam. Ca 85/86 hatte ich dann Gene Vincent mit Nieten auf meiner ersten Lederjacke. Dann ca 87 verfiel ich dem British-Rockabilly und dem Teddyboy R’n’R, welche heute noch meine Favoriten sind. Neben R’n’R & Rockabilly höre ich aber auch traditionell Country vom Stil bis ca 1965, Doo Wop, Swing, Jumpin Blues etc. Also alles was irgendwie mit den 40/50ern zu tun hat incl. deren Spielarten bis heute. Nur an Psychobilly bin ich bis heute noch nicht rangekommen, obwohl so einige Kontrabassisten dort fantastisch slappen!
Als ich 1987 bei den Berliner Louisiana Reb‘s beitrat, einen Ableger der Düsseldorfer/Ratinger welche es schon seit Ende der 70er Jahre gab, veranstalteten wir kleine Partys und Konzerte. Seit Anfang der 90er beteiligte ich mich dort dann auch aktiv in der Planung. Seit dieser Zeit dann auch eigene Konzerte und Record Hops, sowie viele Bookings für private Partys, Biker-Clubs, Kneipen und Bandvermittlung bei anderen Veranstaltungen. Diese nach den Louisi‘s, mit East-Side-Concerts, den Preußen Reb‘s, als Einzelperson oder auch mit meiner Ehefrau Stephie und aktuell mit den Black Jacks, einem ursprünglich 1990 in der Schweiz gegründeten Rockabilly Club. Regelmäßige Veranstaltungen sind das Brandenburger Rock’n’Roll & Rockabilly Meeting, welches es seit 1995 gibt, das Rockabilly Earthquake bei dem ich jetzt für 15 Jahre das Booking gemacht hatte, sowie in Berlin das Rockin’ in the Forest, Country in the Forest, Rockin‘ Rollin‘ & Bowlin‘, die Town-Trips oder auch Rockabilly in Walltown-City.
Aber ich bin nicht nur Veranstalter oder Booker, sondern in erster Linie aktives Szenemitglied und seit 1985 Deutschland und europaweit auf Konzerten und Partys unterwegs. Aber habe auch durch „unsere“ Musik viele Freund- und Bekanntschaften in Nord- und Südamerika, Japan und Australien. So viel zu meiner „Veranstalter Karriere“.

Chris: Dann stelle ich mich auch einmal kurz vor, ich wurde, als ich 14 Jahre alt war von einem Kumpel mit zu einer Party mitgenommen und so lernte ich die Rock’n’Roll-Szene hier in Cuxhaven kennen und war sofort Feuer und Flamme dafür gewesen. Die Musik, die Leute, das Miteinander hatte mich sofort in seinen Bann genommen. Für meine Mutter war es ein Schock und sie tat es als Modeerscheinung ab, welche bald vorbei sein würde. Na ja, diese „Modeerscheinung“ blieb bis heute bestehen und mittlerweile bin ich 56 Jahre alt. Ansonsten kennt man mich vielleicht durch mein Rock’n’Roll eZine „Rockin‘ and Rollin“, welches ich in meiner Freizeit seit ein paar Jahren betreibe. Musikalisch bin ich sehr breit aufgestellt, obwohl ich Kind des Neo-Rockabilly bin, liebe ich jede Stilrichtung des Rock’n’Roll und es passt für mich, das auch für mich individuell zu mischen. Dazu kommt noch Rhythm Blues und Blues und alles hat für mich seine Berechtigung.

Mal eine Frage an euch alle, wenn ihr an eure Anfangszeiten in der Szene zurückdenkt und die mit heute vergleicht, hat sich die Szene musikalisch verändert? Und hat sich die Szene an sich auch verändert, und ich meine hierbei nicht das die Szene an sich einfach älter geworden ist?

Lemmy: Wenn damals hier Konzerte war, dann traf sich die gesamte Szene und nicht wie heute oft in Musikrichtungen unterteilt. Nach der Wende kam wieder mehr Bewegung in die Szene und es wurde wieder vermehrt getanzt, denn die Szene aus dem Ostteil war noch komplett im 50ties Modus. Bis auf ne Truppe aus Potsdam die in Jeans und Leder auf ihren AWO Mopeds durch die Gegend fuhr, waren fast alle in originalen Sachen der deutschen 50er unterwegs. Klar wurden sofort auch die Berliner Szeneläden wie z. B. das Blue Moon gestürmt und sich mit englischen oder amerikanischen Stilen einzukleiden. Mitte der 90er waren dann die Ost und West Szene vermischt und auch die einzelnen Untergruppierungen rückten wieder mehr zusammen. Von Mitte der 80er bis Ende der 90er gab es szeneintern auch viele Schlägereien zwischen den einzelnen Gruppierungen, Clubs etc., aber das ist inzwischen zum Glück vorbei. Selbst aus unterschiedlichen Szenen sitzen heute die alten Leute friedlich zusammen, welche sich vor 30 Jahren noch bei jeder Möglichkeit ins kloppen bekamen. In Hamburg gibt es heute sogar einen gemeinsamen Stammtisch! Ab 2000 wurde dann insgesamt die Szene kleiner und der wirkliche Nachwuchs fehlt bis heute. Man ist ja schon froh, mal nen Einzelnen zu treffen der Anfang 20 ist, aber der muss dann leider auch mit Leuten in der Altersklasse seiner Eltern vorliebnehmen und meist wenden diese sich dann zu 90% der Liebe wegen wieder ab. Wer will schon mit seiner Mutti ins Bett … Die größten Veranstaltungen heute laufen aber auch nur noch da die Szene sich nach außen und auch sogenannten Weekendteds über geöffnet hat. In Berlin hatten jahrelang sogenannte Authentiker die Szene beherrscht, aber die letzten Jahre entwickelt es sich immer mehr zu einer Tänzerszene, schön anzusehen, aber mit der ursprünglichen RnR/Rockabilly Szene hat das nicht mehr viel gemeinsam. Viele kleiden sich nur am Wochenende entsprechend und zu Hause läuft das Radio und tanzen können sie nur nach Liedern zu denen sie es gelernt haben oder nur den boogie und jivelastigen Sachen. Zu Crazy Cavan, Gene Vincent oder alten SUN Rockabilly Liedern können diese es in der Regel nicht und kennen diese Lieder und Interpreten meist auch nicht. Früher waren Veranstaltungen von der Szene für die Szene und wenn du da nicht drin warst, bist du weder an die Bands noch an die Gäste gekommen, das galt für alle Szenen/Subkulturen. Das änderte sich leider mit dem Internetzeitalter, wo jeder jeden buchen konnte, auch Szeneaußenstehende auf die immer wieder kommende RnR-Welle aufsprangen. Ein Besitzer von einem Innenstadtclub mit eigenen Getränkeverkauf und Stammkundschaft hat natürlich kaum ein Risiko und hat sich auch nie um Szenetermine gekümmert, aber der einzelne Szeneveranstalter der meist auf dem Dorf oder am Stadtrand etwas machte, merkte das im eigenen Portemonnaie. Auch da viele der Szene aus eigener Bequemlichkeit lieber den kommerziellen Innenstadtclub besuchten und wegen dem Überangebot auch keine fünfzig oder hunderte Kilometer mehr fuhren, blieben die einzelnen Szeneveranstalter auf der Strecke. Auch Touren für Bands lohnen sich kaum noch, da es nicht wirklich unter der Woche Auftrittsmöglichkeiten gib und ja auch die Kosten für Eintritt, Benzin, Hotels, sowie Essen & Trinken extrem gestiegen sind. Die meisten von uns „alten Säcken“ können nicht mehr so, wie sie noch gerne möchten, finanziell muss man heute auch viel mehr rechnen und eine noch fanatische Szenejugend, welche durch halb Deutschland irgendwelchen Bands hinterher reist, kennt man ja leider nur noch aus den Geschichtsbüchern. Als reiner Szeneveranstalter hat man es heute echt schwer überhaupt noch etwas zu machen, jedenfalls größere Konzerte mit mehreren Bands. Viele alte Weggefährten sieht man in seiner eigenen Gegend echt selten, diese verbinden ihre Freizeit und finanziellen Mittel lieber mit Urlaub und fliegen 2-3 x im Jahr auf die spanischen oder italienischen Festivals am Mittelmeer oder zu den englischen Weekendern.
Die wirklichen Szenen bzw., Subkulturen, wie in den 70er und 80er wird es vermutlich in 10-15 Jahren gar nicht mehr geben, das Problem betrifft aber nicht nur uns.

Frank: Für mich ist es immer schwer, über die Rockabillyszene zu schreiben da ich ja immer der Pschobilly war der aber Rockabillymusik gemacht hat. Ich bin halt zu 95 % auf Psychobilly Konzerte gefahren.
Und es war am Ende der 80er und in den 90er Jahren nicht so ungefährlich als Psychobilly auf ein Rockabilly geschweige auf ein Crazy Caven Konzert zu fahren ohne Gefahr zu laufen ein paar Schellen zu kassieren. Anders herum war das schon etwas besser. Ich war halt jung und wollte lieber Pogo im Pit tanzen als Jive. Ich stand halt immer zwischen den Stühlen. Dass sich das zu heute geändert hat, kann man schon daran erkennen, dass mein Kumpel Grischa der Bassman von Demented bei den Heavy Teddys mitspielt. Damals wäre das wohl so nicht möglich gewesen. Ich weiß noch als Ted Harbeck gesagt hat „Psychobilly, was das mit Rock’n‘roll zu tun hat würde er gerne mal wissen“.
Und dann hat die Mafia beim Lonsome auf dem Psychobillyfestival gespielt und wurden dort sowas von abgefeiert.
So ändern sich halt die Zeiten.
Aber mittlerweile verkitscht die Szene immer mehr zu einer Modeerscheinung, treffe öfters mal auf Leute die halt nur so rumlaufen, aber nicht wissen wer z.b. Gene Vincent war (Elvis kennen sie ja zum Glück noch). Auch viele Leute, die aus der Baseballs-Ecke kommen, sich aber dadurch auch mal auf ein Rockabilly Konzert wagen. Aus einer Subkultur, die auch viele Leute aufgefangen hat, egal was man war oder wie man ausgesehen hat, oder schlau oder dumm oder behindert war. Hauptsache man mochte die Musik, es geht heute halt immer mehr um die Mode, gesehen und gesehen werden, und nicht mehr um die beste Musik der Welt.
Ich für mich höre auch viel Deutschpunk Abstürzende Brieftauben und Slime z.b. die alten Sachen.
Aber sobald der Kontrabass geklackert ist es vorbei egal ob Psychobilly, Rockabilly, Swing oder sonst was, da geht es heute noch mit mir durch.
Ich war zuletzt noch auf dem Ray Collins Konzert in Köln und war mal wieder hell auf begeistert.
(Ich würde ja da gerne mal Minnie the Moocher singen).
Ich glaube, jeder von uns könnte Bücher füllen, mit dem was er erlebt hat und heute noch erlebt.

Chris: Hier in Cuxhaven waren wir damals ja mehr autark gewesen, in puncto Livemusik lief hier bei uns wenig ab, außer eine Rock’n’Roll Band wurde hier mal von der Stadt für eine Veranstaltung gebucht. So lernten wir damals ja auch Ele und die Lennerockers kennen. Ansonsten war es damals eher so, irgendjemand brachte von irgendwoher ein Flyer mit und wenn es passte, hieß es, einen auswählen der schon einen Führerschein hatte und dann ab und die Zelte und palettenweise „Aldis Rache“ in den Kofferraum und los zu dem Konzert. Es gab damals ja noch kein Internet oder Handys, so waren diese kleinen Flyer alles, was uns auf Konzerte aufmerksam machte. Die meisten Ziele waren damals das Rockabilly Showdown in der Fabrik in Hamburg, das Wolfburger Rock’n’Roll Jamboree und die Konzerte in Hannover und Bremen. Von kleinen Auftritten einzelner Bands irgendwo in Norddeutschland bekamen wir weniger mit, meistens auch nur durch Zufall. Aber das Wolfsburger Rock’n’Roll Jamboree war schon ein fester Bestandteil bei mir gewesen. Ansonsten machten wir hier bei uns unsere Partys, sei es am Strand, bei jemanden zuhause oder ein Treffen mit ausreichend vorglühen, um dann die Läden in unserer Kleinstadt unsicher zu machen. Klar gab es bei uns auch immer wieder mal Schlägereien, sei es mit Mods und oft mit Poppern. Jedenfalls kamen wir mit den Mods und hauptsächlich mit den Poppern nie auf eine Wellenlänge und es ist oft ausgeufert. Aber dafür, wir waren ja hier eine kleine Gruppe gewesen, haben wir uns auf unseren Partys auch oft mit anderen Subkulturen gemischt und es gab hier so einige Partys zusammen mit den Punks und Cuxhaven damals einzigen Skinhead. Lief, man kannte sich aus der Schule und alle „schwammen gegen Strom“. Entgegen anderen Städten hatte uns unsere Subkulturen durch die geringe Anzahl der Leute damals schon miteinander verbunden. Aber ich finde, wir hatten damals auch viel Spaß gehabt, alles war unbeschwerter, man hat weniger nachgedacht und ist dadurch auch sich weniger selbst im Wege gestanden. Auch in puncto Klamotten lief es anders ab, man riss bei einem Baumwollhemd die Ärmel ab, kaufte sich eine Hose bei C&A und wenn man mal was Besonderes wollte, ab in den Zug nach Hamburg und die Secondhand Läden durchwühlen. Heute ist die Zeit anderes geworden, aber dass liegt auch an mir selber. Mittlerweile genieße ich es mehr, eine Band in einer kleinen Kneipe zu sehen, anstatt auf ein Festival zu gehen. Und die sehr wenige Freizeit die ich beruflich bedingt habe mehr gezielt zu setzen. Da steht die Familie schon oft vor einem Konzertbesuch. Doch ich sehe auch Positives an der heutigen Zeit. Dank des Internets und Diensten wie YouTube und Facebook finde ich für mich ständige neue Bands, von denen ich bis dato noch nie gehört habe, deren Musik mir sehr gut gefällt und von denen ich mir dann, wenn möglich, eine CD kaufe. Ich finde diese musikalische weltweite Vielfalt unserer Szene schon genial. Aber ich denke, ich mag mich auch täuschen, da ich es damals persönlich einfach nicht so empfunden habe, dass die Szene heutzutage politischer als damals geworden ist.

Ele: Wir kommen hier in Hohenlimburg an der Lenne ja eher vom Lande und mussten in den 80ern immer irgendwo ins Ruhrgebiet fahren, um hin und wieder Mal eine gute Band zu sehen. Zum Beispiel in den Schloßkeller nach Oberhausen, wo wir zum ersten Mal die Jets und die Chevy Cats gesehen haben. Später haben wir dann nach Gründung unserer Band selber Veranstaltungen gemacht, und unsere Helden wie Sandy Ford und Cavan nach Hohenlimburg geholt. Meine Mama Inge hat damals nicht nur uns, sondern auch Johnny & The Roccos gemanagt. Die haben dann auch dauernd bei uns rumgehangen.
Ich werde nie vergessen, dass ich mit Bob Fish, Charlie Gracie und Graham Fenton in meiner Bude Carrera-Bahn gespielt habe. Da wir als Band auch immer etwas breiter aufgestellt waren, haben wir mehrere Szenen gleichzeitig bespielt. Ob Teds, Biker, Cowboys, US-Car Fans oder „normale Leute“, Hauptsache die hatten alle Spaß an unserer Musik. Deswegen hat auch unser letztes „Wild West Rockabilly Special“ ganz gut funktioniert, weil wir da wieder die unterschiedlichsten Leute motivieren konnten, in den Harz zu fahren. Rockabillys, Cowboys, Boogie-Tänzer und Normalos haben zusammen gefeiert.
Die Country-Szene hat übrigens die gleichen Nachwuchsprobleme wie die Rock`n`Roll-Szene. Deshalb lasst uns einfach alle zusammen feiern, solange es noch geht.

Gibt es aus eurer Sicht regionale Unterschiede in der Szene, und wenn ja woher kommen sie?

Frank: Was heißt Unterschiede, ich hab die Erfahrung gemacht, dass alle gleich bekloppt sind in der Szene. Einmal damit angefangen kommst du da nicht mehr raus.

Ele: Da wir international unterwegs sind, ist es schwierig, die von Land zu Land doch sehr unterschiedlichen Entwicklungen in den ganzen Jahren zu beschreiben. Auf jeden Fall wird heute länderübergreifend deutlich mehr getanzt, als in den 80er Jahren, als alle noch direkt vor der Bühne standen. Auch gibt es durch den höheren Altersschnitt und der damit verbundenen Reife des Publikums viel weniger Haue als damals, wo bei jedem zweiten Konzert irgendeine Klopperei war. Gut so!

Chris: Ich denke nicht, dass es große Unterschiede gibt. Wie Frank schon sagt, alle sind gleich bekloppt und die Liebe zu der Musik verbindet. Klar gibt es hier und da Leute, mit denen man weniger und andere mit denen man mehr klar kommt, aber das ist ja normal. Und im Laufe der letzten 40 Jahren haben sich einige Freundschaften entwickelt und jedes Mal, wenn man sich mal wieder bei einem Konzert über den Weg läuft, ist die Freude groß.

Lemmy: Im Norden und Westen gibt es noch viele Rockabilly Clubs, manche schon seit Ende der 70er und dort wird auch noch viel Leder oder besonders im Westen auch Drapes getragen. Der Rest von Deutschland ist doch mehr in der Hand von der Authentik oder Tanzfraktion. Diese Entwicklung hängt vermutlich auch mit den regionalen Bands zusammen, da es sich damit mehr identifizieren lässt. Aber Nachwuchsprobleme gibt es in ganz Europa und so wird die Szene überall kleiner. Dadurch rücken aber die unterschiedlichen „Unterszenen“ mehr zusammen und der Psycho steht neben dem Teddyboy und dem Authentiker, jedenfalls die wirklich wegen der Musik vor vielen Jahren hinzukamen.

Lemmy, wie würdest du die Szene in Norddeutschland beschreiben im Hinblick der 80er Jahre bis heute?

Lemmy: Wie schon erwähnt bin ich ja mehr aus dem Osten (West Berlin) und nicht aus dem Norden und hier war es in den 80ern komplett anders als im Rest von Deutschland. Berlin war schon seit Ende der 70er eine Ted Hochburg, den damals waren wir alle einfach nur Teds, Abkürzung von Teddyboy. Das ist der Begriff, der englischen Halbstarken aus den 50ern welche den RnR auch in den 60ern am Leben erhielten und in den 70ern mit dem RnR Revival erst wieder nach Festland-Europa brachten. Diese ganzen „neueren“ Untergruppierungen kamen ja erst ab Anfang der 80er so richtig auf: Jiver, Halbstarke, Rock’n’Roller, Hepcats, Authentics, Rockabilly’s, Neo-Rockabilly’s und später Psychobillys. Möchtegerns und Weekendteds wurden als Plastiks bezeichnet, damals hatten diese keine lange Existenz, wenn sie auf die Szene trafen, und viele Klamotten wechselten die Besitzer. Damals hatten auch einige „Alt“ Teds und Teddygirls Trophäen in Form von Locken oder Pferdeschwänzen zu Hause!
Auch Normalos und Popper trugen gerne mal „unsere“ Klamotten und so wechselten viele Harrington, Baseball oder Tiger/Leo Jacken sowie Piker, Creepers und 50er Jahre Pumps unfreiwillig die Besitzer. Mein allererstes Paar Creepers (graues Wildleder) bekam ich direkt im Bhf. Zoo mit 15/16 Jahren „geschenkt“. Hatte echt Glück, das ich damals schon Größe 45 hatte und die keinen anderen gepasst hatten und weiß bis heute nicht, warum der Popper seine neuen Schuhe nicht mehr mochte. 😉
Damals sind wir Küken schon teilweise mit 13/14 Jahren schon mit den Großen tagsüber rumgezogen, aber abends in den Live-Läden oder RnR Diskos mussten alle unter 16 Jahre nach Hause oder vor der Tür warten. In den Berliner Tag & Nacht Kneipen hingegen wurde dagegen nicht so darauf geachtet, das kam erst vermehrt so Mitte der 80er. Jeder West-Berliner Bezirk hatte mindestens einen Club und teilweise beharkten die sich untereinander und teilten sich Kneipen, Diskos etc etwas untereinander auf. Ich versuche mal, aufzulisten, welche Clubs es bis zur Maueröffnung hier gab. Es gab auch immer wieder kleinere Clubs, die es kurzfristig gab, aber dann ganz schnell von größeren wieder „geschlossen“ wurden, deshalb wird diese Liste nicht vollständig sein: Peter Teds, Skulls, Tennessee Rebels, Tiger Teds, Wanderers (wo gabs die nicht), Golden Boys, T-Birds, Jay Hawkers, Midnight Boys, Louisiana Reb‘s, Strugglers, Gene & Eddie Teds, Cruisin Angels, SUN-Boys, Crazy Cats (einzigste Mädels Club), Alligators und mindestens zwei mehr auf deren Namen ich nicht mehr komme. Übrigens gibt es einen Roman von Wolf Uwek „Teddyboy“, welcher von den 80ern in W-Berlin handelt. Viele Geschichten sind mir persönlich bekannt, nur wurden die meisten Einzelnamen geändert bzw. anderen Personen zugeordnet und z. B. Kalles Kneipe war Peters Kneipe und dementsprechend die Kalle Teds eigentlich die Peter Teds. In W-Berlin hatten wir uns Mitte der 80er auch mit Rockabillys rumgeboxt, das waren hier die Neo-Rockabillys und wir in Leder und Boots gekleideten einfach nur Teds. Als ich mit 17 Jahren dann das erste mal alleine nach Westdeutschland fuhr, war ich dann doch etwas verstört, dass ich plötzlich ein Rockabilly war und unsere plötzlich Neos …. Aber Berlin war halt wie anfangs erwähnt anders. Es gab zu Mauerzeiten bei uns im Jahr zwei größere Konzerte mit 2-5 Bands, ansonsten Einzelauftritte insbesondere der englischen Revivalbands, aber auch die alten Amis stoppten bei ihren Europatouren regelmäßig hier. Dazu kamen natürlich die Auftritte der Berliner Bands, Diskos wie das Big Eden oder die Dachluke welche unter der Woche 3-4-stündige RnR Runden machten und damals auch unter der Woche wegen eines DJ mal locker 150-200 Teds zusammen kamen. Jeder Club hatte auch seine Stammkneipe und diese waren ständig am Wochenende voll. Der bekannteste Laden war wohl Peters Kneipe, auch RnR Peter genannt. Da begann es schon Ende der 70er mit englischen Teds, die hier stationiert waren und dadurch sich dort auch vor oder nach ihren Auftritten u.a. Crazy Cavan, Sandy Ford, Freddie Fingers Lee und Screaming Lord Sutch die Klinke in die Hand gaben. Den Laden gab es bis Anfang der 90er, dann zog Peter an den Timmendorfer Strand und eröffnete dort eine ganz normale Tourikneipe. Es war eine Tag und Nacht Kneipe die in den ganzen Jahren nicht einmal geschlossen hatte und immer ein Anlaufpunkt, nicht nur für die Berliner Szene war, es kamen Leute aus dem ganzen Bundesgebiet und auch aus den Nachbarländern, teilweise eigens für ein normales Wochenende um hier mit uns zu feiern. Die Peter Teds (deshalb auch der Name) waren die Ersten, dessen Stammkneipe es wurde, Mitte der 80er waren es dann die Golden Boys und ab 87 bis zum Schluss war es das Domizil der Louisiana Reb‘s. Ich persönlich habe dort auch mal ne Weile hinter der Theke gestanden, auch am Abend des Mauerfalls und mein persönlicher Rekord als Gast war dort Donnerstag Abend rein und Montag früh um 5 Uhr raus, zwischendurch nur Mal Samstagabend schnell zum Konzert mit Sid King und anderen. 😉 Wir waren jung, wollten RnR und soffen wie die Löcher! 🙂
So sah es damals in Berlin szenetechnisch aus, bei den Teds waren alle Modestile vertreten von der Jeans-, Baseball-, Harrington- und Lederjacke, etc. über Drape bis hin zu Opas/Vaters Anzug. Die Mädels hingegen waren wirklich 50ties mit engen Jeans, Pencil-Röcken, Steghosen oder Petticoats und nicht wie heute bis in die 30er/40er zurück oder modern mit Kirschen und Totenköpfen etc..

Wie seht ihr die Zukunft unserer Subkultur hier in Deutschland und was müsste sich ändern?

Frank: Ich sage, in so etwa 20 Jahren wird kaum noch jemand diese Art von Musik hören. Die Jugend ist verseucht mit elektronischer Musik.
Nur noch kurze Aufmerksamkeitsspanne geschuldet durch TicToc driss.
Ich sehe das an meiner 13-jährigen Tochter. Früher war, Musik hören, Platten kaufen, durch ein Fanzine erfahren wo die Bands spielen immer sehr aufregend.
Heute Google fragen oder Alexa spiel das Lied XY fertig.

Ele: Um die Zukunft unserer Subkultur mit den ganzen liebenswert Bekloppten mache ich mir ähnliche Sorgen wie Frank. Wenn nicht ein Wunder geschieht, und ein (was weiß ich) zweites Rock`n`Roll-Revival irgendwie vom Himmel fällt und unsere Musik wieder in den Charts stattfindet (wie in den 80ern mit Matchbox, Shaky, Jets, Stray Cats, Cavan etc.) wird die ganze Sache einfach irgendwann in naher Zukunft komplett wegbröckeln. Aber wo soll so ein Revival denn herkommen? Für uns tolle Erlebnis-Orte wie Plattenläden, Oldtimer-Treffen und Rockabilly Partys mit Live-Band sind den meisten der heutigen jungen Generation nur noch sehr schwer zu vermitteln. Wir sind halt alte, weiße Männer. Aber streng genommen ist das spaßbefreite, digitale Leben ja deren Problem, nicht unser. Ich setz mich dann in meinen 67er Volvo mit dem Aufkleber „Elektrisch fahren wir nur auf der Kirmes“ und dreh entspannt lächelnd meine Runden. Und am nächsten Wochenende machen wir mit der LenneBrothers Band wieder Rock`n`Roll! Also alles gut so weit.

Chris: Ich teile leider eure Meinung. Es fehlt der Nachwuchs in der Szene, welcher sich wirklich für die Rock’n’Roll-Szene interessiert. Und die die da sind, sind teilweise älter und bequemer geworden und die wenige Freizeit jongliert zwischen zu einem Bandauftritt zu gehen oder doch einfach einmal die Ruhe zu genießen. Da nehme ich mich nicht aus. Aber auch die technische Entwicklung macht es alles schwieriger. Heutzutage wird viel nur noch gestreamt und die für die Bands wichtigen CD- und Platten Verkäufe bleiben auf der Strecke. Kaufst du dir z.B. ein neues Auto, hast du kein CD-Spieler mit dabei, sondern nur noch Player über USB oder Stream.
In puncto Musiker bin ich sehr zuversichtlich, da sind mittlerweile einige junge Musiker unterwegs, die richtig Bock auf die Musik haben und auch sehr gut sind. Ich denke aber, in den nächsten zwanzig Jahren wird das Publikum einfach wegbrechen und die Musiker aus der Rock’n’Roll-Szene die dann noch da sind, müssen ein Wandel durchmachen und sich auf das Publikum außerhalb der Szene konzentrieren. Und das wird nicht einfach werden.

Lemmy: Durch das Internet kann jeder alles haben, sehen oder machen, das gilt auch für den Musikbereich, damit begann das Ende aller Subkulturen. Damals fand nur wer sich wirklich mit einer Musik beschäftigte den Anschluss in eine Szene und nur wenn dieser zeigte das er sich wirklich dafür interessiert oder es lebte, hatte er Möglichkeit von dieser akzeptiert zu werden. Heute ist aber überall und alles multikulturell, was ja in vielen Bereichen von Vorteil ist, aber die eigentlichen Szenen bzw. Subkulturen hat das getötet. Leider werden es auch immer mehr Poser und Freizeit/Wochenend-Rock‘n‘Roller, was diesbezüglich auch nicht förderlich ist.

Ele, dein Gedanke war ja auch mit den Lennebrothers gegenüber der Zeit mit den Lennerockers ein wenig kürzer zu treten und mehr Zeit für das Privatleben zu haben. Hast du das geschafft, oder entwickelt es sich wieder von einem Auftritt zum nächsten zu eilen?

Ele: Wir haben die jährliche Auftrittsmenge von ca. 90 Gigs zu Lennerockers-Zeiten auf jetzt ca. 50 Konzerte im Jahr heruntergefahren. Das ist die „altersgerechte“ Dosis für die LenneBrothers Band. So kommen wir alle 4 mit Job, Familie und Rock`n`Roll gut über das Jahr.

Wie seht ihr den Bereich Festivals, Szeneveranstalter und die Resonanz des Publikums?

Lemmy: Die eigentlichen Szenen/Subkulturen werden ja schon die letzten 15/20 Jahren immer kleiner, das betrifft ja alle nicht nur beim Rockabilly/RnrR. Es kommt einfach kein wirklicher Nachwuchs nach, früher waren immer ganze Truppen von 15-16-jährigen unterwegs und heute freue ich mich, wenn mal jemand einzelnes mit 20-25 Jahren auftaucht. Die ganzen Einzelveranstalter aus den 80ern sind doch mehr oder weniger auf der Strecke geblieben und die haben damals etwas mit 3 oder noch mehr Bands organisiert. Mitch Witte/Lehrte, Tanya Zurdo/Hamburg, Hartmut Bergen/Bielefeld, Herbie/Lübeck um nur einige zu nennen. Die Szene hat sich doch schon seit ner Weile geöffnet, denn diese ganzen Wochenendposer die supergestylt auf irgendwelchen Veranstaltungen auftauchen sind ja nicht wirklich Szene. Sehr viele „verkleiden“ sich ja nur am Wochenende. 1 oder 2 Bands werden oft noch von Rockabilly Clubs organisiert, aber einzelne Szeneveranstalter gibt es ja kaum noch. Walldorf zu Pfingsten, Stuttgart/Silvester, sowie im Dezember/Pullman City im Harz sind die letzten alten Veranstaltungen, die noch einige hundert Leute ziehen. Selbst das Rockabilly Earthquake/Bremen fand 2023 nach 20 Jahren zum letzten Male statt. Das Brandenburger Rock’n’Roll & Rockabilly Meeting findet 2024 zum 30. Male statt und ist damit der älteste Rockabilly Weekender in Deutschland, aber auch nicht mehr in der Größe wie vor 20 Jahren. Dort ist oldschoolmäßig die Parkplatz-/Campgroundparty genau so wichtig wie das Bühnenprogramm! Seit ein paar Jahren gibt es auch ein paar größere Veranstaltungen, davon ist wohl das Firebirds Festival das größte, aber da merkt man ganz besonders, wie sich die Szene geöffnet hat, der größte Teil der Gäste sind „Normalos“. Aber ohne diese wären die ganzen namenhaften Bands und DJs gar nicht mehr finanzierbar. Es fehlt einfach der Nachwuchs und das die immer kleiner werdenden Untergruppierungen immer noch nicht über ihren Schatten springen. Die einen gehen nicht hin, wo ne Teddyboyband spielt, die nächsten können nichts mit Westernswing anfangen und der nächste mag keinen Doo Wop oder Neorockabilly! Ich persönlicher war auch mal sehr viel engstirniger, aber wenn man nicht irgendwann mit immer denselben Leuten abhängen will, muss man diesen Wandel akzeptieren und mitmachen. Ich bekomme allerdings auch immer noch „Augenkrebs“, wenn der Petticoat unter den Rock hervorschaut oder der Unterrock bzw. Tüll schon von vornherein an den Rock oder an das Kleid angenäht wurde. Und diese ganzen Möchtegerninternetfuzzis die einem erklären wollen, was ein Rockabilly bzw. Rock’n’Roller ist oder wie diese sich zu kleiden haben …. Ich habe, glaube ich noch nie beabsichtigt meine Jeans umgekrempelt, da ich mir einfach Hosen in meiner Größe kaufe, auch habe ich bis auf eine kurze Testphase nie Pomade benutzt. Hätte ich noch volles Haar, würde ich mir mit Haarspray/-Lack heute noch ne schöne Teddyboytolle machen. Und wenn man sich bei so manchen Internetseiten/-Gruppen mal die Profile von den Admins anschaut und da steht dann was von Broilers oder Vollbeat, dann versteh ich die Welt nicht mehr. Es soll doch jeder hören, was er will, aber sich nicht als Rockabilly etc bezeichnen. Und für alle, die es immer noch nicht wissen: Das SUN Studio ist kein Solarium!!!!!
Ich fahre/fliege inzwischen lieber zu kleinen Partys/Konzerten von Bands, Clubs etc als zu den meisten größeren Veranstaltungen und freue mich, dort Gleichgesinnte zu treffen.

Ele: Die Situation für Veranstalter der verschiedenen Szenen (Rock`n`Roll / Country / Blues) ist in den letzten Jahren deutlich schwieriger geworden. Es betrifft da alle ähnlich. Die Bude ist einfach nicht mehr so voll. Pullman City Harz, Pullman City Eging, oder auch der Yukon Saloon in Dinslaken haben sich über die Jahre etwas breiter aufgestellt und lassen nicht nur Country Bands, sondern auch Rock`n`Roll Bands an speziellen Wochenenden spielen. Wenn man die Grenzen zwischen den einzelnen Genres ein bisschen aufweicht, kann man über die Runden kommen.

Frank: Festivals sind immer gut und schön. Auf Einzelkonzerte geht halt kaum noch jemand, finde ich. Das ist sehr schade. Um Leute und Freunde zu treffen, sind halt Festivals besser. Und die Resonanz des Publikums für die Bands ist auch besser, finde ich. Geschuldet durch natürlich mehr Leute.

Chris: Ich denke die kleinen Veranstalter werden zukünftig nur eine Chance haben, wenn sie sich dem „normalen“ Publikum auch öffnen, bzw. ihr Publikum mischen. Rock’n’Roller zusammen mit Bikern und den ganzen US-Car- und Oldtimerfans. Und selbst da wird es für einige Standorte schwierig, da es ja ein sehr großes Angebot an Veranstaltungen gibt oder die Veranstalter mit ihrem Angebot so weit vom Schuss sind, dass da eh nur ein sehr kleines Einzugsgebiet vom möglichen Publikum vorhanden ist. Bei den Festivals denke ich, es wird sich in den nächsten Jahren herauskristalieren, wer die richtige Balance von Ausgaben und Einnahmen findet und so sein Festival halten kann. Ich denke auch wie Lemmy, dass hier die Festivals die sich sehr für normales Publikum und den ganzen „Wochenend-Rock’n’Roller“ geöffnet haben, die Nase vorne haben werden. Ansonsten, Lemmy dein Spruch, „Das SUN Studio ist kein Solarium!!!!!“, finde ich genial! Ja, da hast du recht, es ist doch schon sehr schade, da freut man sich, auf neue Gesichter und wenn man dann versucht hat sich fünf Minuten über Musik zu unterhalten und merkt, er hat absolut keine Ahnung und für ihn sind Shaky und Elvis die beiden großen Musiker des Rock’n’Roll und er kennt kaum einen anderen Musiker und schwärmt dafür mehr über seinen Oldtimer, den er sich frisch gekauft hat und dabei da im perfekten Rumble59-Outfit steht, welches er sich extra für diesen Abend zugelegt hat … da endet sehr schnell das Gespräch. Leider, vielleicht sollte ich da auch offener zu den Leuten sein, denn ohne die gibt es bald gar keine Konzerte mehr.

Rein aus der Sicht als Musiker, wäre der zukünftige Weg sich mehr für das normale Publikum zu öffnen und durch ein damit resultierendes gemischtes Publikum als Band für sich mehr zu erreichen? Beispiel wäre aktuell »Aron King and his Ferriday Rockers«, die das mit ihrer Musik sehr erfolgreich machen. Welche Alternativen für Bands seht ihr? Auch einmal auf Tür spielen, niedrigere Grundbezahlung plus Anteil an Einnahmen usw.?

Ele: Für Bands, die auch einen Teil ihres Lebensunterhalts mit Rock`n`Roll bestreiten wollen, ist auf „Tür spielen“ eigentlich nur heimatnah möglich, weil da die Fahrt- und Übernachtungskosten entfallen. Da ist das Risiko nicht so groß, mit der Nummer baden zu gehen. Wenn man Sponsoren für Auftritte gewinnen kann, schön, aber das dürfte leider nur selten gelingen. Ob man sich als Band dem normalen Publikum öffnen möchte, oder nur innerhalb der Szene spielen will, kommt auf die eigenen Ziele an und muss jeder für sich selbst entscheiden.

Frank: Ich habe mit Heavy Teddys ja schon immer auch auf Straßenfesten und der gleichen gespielt wir waren nie eine reine Szene Band. Wenn man viel covert, geht das natürlich.
Auf Eintritt lohnt sich, in den meisten Fällen nicht mehr zu spielen, da springt nix bei rum. Wenn dann macht man es, weil man Spaß an der Musik hat. Für mich ist es ja auch quasi ein Hobby. Wenn man damit aber seinen Lebensunterhalt bestreiten muss, ist das natürlich schlecht.

Wie steht ihr zu Aussagen, welche in der Tat mal zu einem Interview kam, welches ich mit einer Band machte: „Die Band ist ja jetzt kommerziell erfolgreich und verdient Geld mit ihrer Musik, also sind sie für mich raus aus der Szene!“

Lemmy: Kommerz oder nicht Kommerz, das ist ein schwieriges Thema. Wo fängt Kommerz an??? Sobald man Eintritt nimmt, ist eigentlich alles Kommerz, auch wenn man nur kostendeckend arbeiten will. Ich glaube das einige Bands mehr außerhalb der eigentlichen Szene Auftritte haben, wie zum Beispiel Boppin‘ B. Oder Lenne Rockers/Bros, diese kommen aber aus dem Urschleim unserer Szene und ich gönne ihnen das sie mit ihrer Musik Geld verdienen. Die Firebirds sind auch erfolgreich außerhalb der Szene sowie mit ihrem Festival, haben dort auch namhafte Bands und DJs, aber das ist eine Kommerzveranstaltung. Diese Baseballs sind vermutlich die in den Medien bekannteste „RnR Band“ und verdienen damit ihr Geld, aber sind für mich keine wirklichen RnRer. Ich gönne jeder Band oder jedem Sänger Erfolg mit seiner Musik, denn jeder muss von irgendetwas leben und wenn dieser „Job“ einem Spaß macht, umso besser. Ich sage mal jede Veranstaltung die eine Einzelperson oder ein Club/Band organisiert, wo nur Band(s), DJ und 1-2 szenetypischen Händler sind, ist Rock n Roll. Wenn aber ganze Händlermeilen, Workshops, Tanz oder sonstige Kurse angeboten werden, dann ist das Kommerz. Allerdings könnten einige Großveranstaltungen sonst ohne die dort anwesenden „Normalität-Gästen“ auch heute nicht mehr existieren, da die Szene inzwischen zu klein und zu alt und bequem geworden ist. Inzwischen gehe ich auch mal auf ne Kommerzveranstaltung, aber bin lieber auf kleineren privaten, auch im Ausland. Dort sind die Leute noch wirklich wegen der Musik und beim Kaltgetränk etwas dämlich quatschen. Auf den ganzen Großveranstaltungen werden es Jahr immer mehr Poser und Weekendteds. In Spanien etc auf den Festivals sich z.B. 2-3 x am Tag umzuziehen hat nichts mit RnR zu tun. Das ist meine persönliche Meinung.

Ele: Eine Aussage wie „kommerziell erfolgreich heißt raus aus der Szene“ halte ich für Blödsinn. Was heißt denn eigentlich kommerziell erfolgreich? Welche Band ist denn eigentlich richtig Rock`n`Roll? Die, die sich 40 Jahre lang bei 3000 Gigs den Arsch abgespielt hat, oder die, die alle zwei Monate bei einem Szene-Konzert Party macht? Ich finde, wir sollten Platz haben für alle, die Rock`n`Roll im Herzen tragen und die wissen, dass das SUN-Studio kein Solarium ist. (Geiler Spruch, Lemmy!)

Frank: Das ist für mich Blödsinn.
Ist doch gut, wenn man Erfolg hat und damit ein paar Euro verdienen kann. Und es steht hinter dem Erfolg ja auch immer harte Arbeit, um diesen Erfolg auch zu kriegen.

Chris: Als ich diese Aussage damals nach einem Interview von jemanden bekam, war ich im ersten Moment sprachlos gewesen. Ich war damals bei Rhythm Bomb Records als Promotenmanager beschäftigt gewesen und hatte direkt viel mit Musikern zu tun gehabt. Also auch das gesehen, was hinter der Bühne ablief. Wie viel Arbeit die Musiker in ihre Songs gelegt haben, das ganze Umherreisen, schlechte Schlafplätze, teilweise knappe Bezahlung. Man muss ja bei der Gage einiges abziehen, die Fahrkosten, teilweise leider sogar die Verpflegung, die vielen Übungsstunden im Übungsraum, welcher ja auch bezahlt sein will. Die Kosten für das Equipment, was auch durch die Gegend gefahren wird. Nach den ganzen Abzügen teilt man sich den Rest durch drei / vier Musiker und dann weiß man wie wenig von einem Gig übrig bleibt. Ganz abgesehen von Abgaben an Finanzamt und Künstlersozialkasse, wenn du als Musiker von deinen Auftritten lebst. Und wenn es dann eine von vielleicht 1000 Bands es schafft, davon zu leben – dann hat sie aus meiner Sicht alles richtig gemacht. Und das ist nicht nur in unserer Subkultur so, wo es um einiges schwieriger als Musiker ist, um über die Runden zu kommen, sondern in jeder Musikrichtung so. Es gibt unzählige Musiker in unserem Bereich, die spielen in vier, fünf Bands gleichzeitig, um davon leben zu können. Klar ist das ein Weg, den sie sich ausgesucht haben, aber es ist ihr Traum und ihr Leben und sie nehmen dafür auch einiges an Entbehrungen in kauf.

Thema „Szenepolizei“, für mich gedanklich einfach in gewissen Schubladen sehr festgesetzt, aber immer wieder stolpert man über Leute die ihre ganz festen, teilweise mit Scheuklappen besetzten Meinungen haben. Wie steht ihr dem Thema gegenüber?

Ele: Die Szenepolizei, sollte es so was geben, stört mich nicht. Verschiedene Meinungen kann man ruhig haben und Recht machen kann man es sowieso nicht allen.

Frank: Die gehen mir am Arsch vorbei. Ich mach mein Ding, wie mir es passt. Ich höre auch Mittelaltermusik, Heavy Metal, Schlager und als Kölner natürlich Karnevalsmusik. Jedem das seine halt wie er es mag.

Lemmy: Es gibt immer irgendwelche Besserwisser, Wichtigmacher und „Internet-Billys“ die alles besser wissen, das ist mir heute aber egal. Früher haben sich die Szenen „selbstgereinigt“, heute wären größere Veranstaltungen ohne „Außenstehende“ leider kaum noch möglich. Ich bekomme zwar Augenkrebs, wenn ich Petticoats raushängende sehe oder der Tüll an den Röcken/Kleidern unten angenäht ist, aber das muss man leider ertragen. Komm ich mit solchen Personen aus irgendeinem Grund in näheren Kontakt, versuche ich dies aufzuklären. Und wenn ich mitbekomme, dass sich manche auf den großen Festivals mehrfach umziehen, frage ich mich, wann wurden aus eigentlichen RnR Konzerten Modeschauen!? Und was mich dabei noch mehr wundert, ist, dass auch wirklich alte Szenegänger dabei mit machen. Aber das muss jeder für sich selber entscheiden.

Chris: Früher habe ich mich über die Leute geärgert, die mir vorschreiben wollten, wie ich mich als Rock’n’Roller zu kleiden oder welche Stilrichtung des Rock’n’Roll in Ordnung ist und welche nicht. Bis ich für mich selber herausfand, es gibt da zwei Sorten Menschen. Die einen sind nur halb so lang dabei, wenn überhaupt, wie ich und deren Vorstellung von unserer Szene ist eindeutig eine andere, als ich die habe und die anderen sind in ihrer Einstellung so festgefahren, dass sie nicht einmal darüber nachdenken über den Tellerrand zu schauen. Beides Menschen dir mir nur meine Lebenszeit rauben und die ich für mich einfach ignoriere. Für mich ist Rock’n’Roll kein vorgeschriebener Dresscode und keine Einbahnschublade in der Musik, es ist vielfältig und es ist ein Lebensgefühl und eine persönliche Einstellung zum Leben. Ich mache mein Ding und wem es nicht passt, der hat damit vielleicht ein Problem – aber es ist sein Problem, nicht meins!

An Ele und Frank, wir habt ihr euch seit eurer Anfangszeit musikalisch entwickelt und wie wichtig ist aus eurer Sicht die Balance zwischen Musiker und Zeit für Privatleben, um musikalisch kreativ bleiben zu können?

Ele: Um kreativ bleiben zu können, muss die Balance zwischen Musik machen und Privatleben schon irgendwie ausgeglichen sein, aber auch das muss jeder für sich und seine Situation individuell entscheiden. Mit der musikalischen Entwicklung ist das so eine Sache. Bratkartoffeln fand ich vor 40 Jahren genauso lecker wie heute. Die haben sich auch nicht wirklich weiterentwickelt, oder?
Ich liebe Rock`n`Roll und traditionelle Country Music. Das ist so und das bleibt so. Wir haben bei unserem ersten Konzert im Februar 1984 „Whole lotta shakin`goin`on“ gespielt und werden das bei unserem 40-jährigen Bühnenjubiläum am 17. Februar 2024 im Werkhof-Kulturzentrum in Hagen-Hohenlimburg wieder tun. Klar ist man über die Jahre verschiedenen Einflüssen ausgesetzt, aber im Kern bleibt alles beim Alten.

Frank: Ja ich hab ja früher schon in Chören gesungen sogar in der Kirche. Ich höre halt auch viele Musikfacetten. Mit den Lunatics bin ich halt auch in die Pschobillywelt eingetaucht. Mein Problem ist, bis heute das ich kein Englisch kann ;-). Ich finde aber auch, dass man mit der deutschen Sprache sehr viel machen kann. Natürlich ist dann nix mit international. Man entwickelt sich ja automatisch weiter mit der Zeit und probiert sich aus.
Im Moment habe ich allerdings eine kreative Pause, muss ich zugeben, was bei mir aber gesundheitsbedingt geschuldet war.
Ich kann mir auch nicht mehr vorstellen, jedes Wochenende auf Tour zu sein. Ich bewundere Grischa und Mark, wie sie es schaffen, sich immer wieder aufzuraffen und loszufahren. Wer es nicht kennt, weiß nicht wie anstrengend so etwas ist immer unterwegs zu sein.
Bei mir ginge das ja schon beruflich nicht. Und natürlich brauch man auch ein Umfeld was das ganze mit macht Familie und Freunde zb. Ohne sie würde es gar nicht funktionieren.

Hat die Coronazeit nachhaltig etwas in der Szene verändert? Ich denke dabei z.B. an niedrigere bis keine Vorverkäufe, Leute gehen weniger weg, usw.

Ele: Die Corona-Zeit hat überall voll reingehauen, und es hat erstaunlich lange gedauert, um wieder Vor-Corona-Niveau zu erreichen. Das Beispiel „Wild West Rockabilly Special“: 2020 ausgefallen wegen Lockdown, 2021 (2G) mit vielen angepissten Leuten ohne Impfung, die plötzlich nicht mehr kommen durften, 2022 wieder ohne Einschränkungen, aber es fehlten noch locker 100 Leute pro Abend, 2023 endlich wieder alles normal wie 2019.

Frank: Ja Corona hat meiner Meinung nach viel verändert. Man sieht es als kleine Band z.b. an den Besucherzahlen. Die Leute sind vorsichtiger geworden und haben nach wie vor Angst sich anzustecken.

Lemmy: Definitiv hat diese Zwangssperre vielen die Gemütlichkeit der heimischen Couch näher gebracht, denn unsere Szene ähnelt inzwischen ja mehr dem Klassentreffen von Frührentner als einer subkulturellen Jugendkultur. Der fehlende Nachwuchs macht sich immer mehr bemerkbar.

Chris: Ich denke, die Coronazeit hat einiges geändert. Mittlerweile entscheiden die Leute noch spontaner, als früher zu welchen Auftritt sie gehen und wo nicht. Das schlägt sich auf die Vorverkaufszahlen nieder, welche viele Veranstalter benötigen, um nicht finanziell über den Jordan zu gehen. Entsprechend werden mehr Konzerte als früher wegen mangelnder Vorverkaufszahlen abgesagt. Was schlecht sowohl für die Musiker wie natürlich auch für den Veranstalter ist. Auch mussten viele Kneipen usw., wo Bands aufgetreten waren, in den Coronazeiten schließen und kamen nie wieder auf die Beine. Aber ich finde eine ganz andere Entwicklung viel besorgniserregender. Durch die fehlenden Auftritte der Bands gingen auch deren Verkäufe an CD’s und Merchandise zurück, was eigentlich wichtig für die Bands ist. Dafür steigen kontinuierlich die Streamings! Und das finde ich schon echt heftig. Ein Musiker hat mal vorgerechnet: Es müssten 500 Streamings der kompletten CD erfolgen, um auf den gleichen Wert wie eine real verkaufte CD zu kommen. Und jetzt kommt dazu noch die neue Regel von Spotify und Partnern:
„Wie das schwedische Unternehmen Spotify in einem Blogbeitrag mitteilte, müssen ab „Anfang 2024“ Songs mindestens 1000 Mal in 12 Monaten gestreamt werden, um Auszahlungen zu generieren.“
Also Leute kauft CD’s bei den Bands und Plattenlabels, die ihr mögt, kauft deren Merchandise und unterstützt die Bands, indem ihr zu ihren Auftritten geht, auch wenn die Band vielleicht nicht 100% in eurer musikalischen Wohlfühlzone liegt. Und es sind nicht nur die Musiker, die euch brauchen, sondern auch die Plattenlabel. Denn bei denen geht langsam auch die rote Lampe an und einige steuern leider auf ihr finanzielles Ende zu.

Was wären eure zukünftigen Wünsche an die Szene?

Ele: Meine zukünftigen Wünsche an die Szene(n)? Hey ihr Cowboys, Rockabillys, Biker, Teds, Classic Car Freaks, Boogie Tänzer … tut euch zusammen und feiert, das es kracht, solange es noch geht!

Frank: Ich würde mir mehr Nachwuchs wünschen. Leute traut euch einfach mal in diese Szene rein zu schnuppern. Ich habe die geilsten und interessantesten, coolsten Leute kennengelernt, die es gibt. Freundschaften für das Leben gefunden. Und dann diese Musik, wenn der Bass klackert.
Und nehmt nicht immer alles so ernst habt spaß und tanzt. Besucht wieder Konzerte auch während der Woche, die Bands werden es euch danken.
Und nehmt die neuen Leute auf und reitet nicht darauf rum, wie lange ihr schon dabei seid, sondern versucht, Leute dafür zu begeistern für die beste Art von Musik und Lifestyle.

Lemmy: Unsere Musik wird es vermutlich immer geben, aber ob dies in 20 Jahren noch auf reinen RnR Veranstaltungen oder bei Oldietreffen etc weiß wohl keiner. Ich vermute die Veranstaltungen werden weniger und dadurch konzentrierter, aber ich werde bis zum Ende noch Partys und Konzerte haben.

Chris: Ich schließe mich den Wünschen von Ele an, tut euch alle zusammen und geht zu den Auftritten der Bands, haucht der Szene neues Leben ein, damit wir alle zusammen noch ein paar Jahre Rock’n’Roll vom Feinsten erleben können. Geht raus aus eurer Wohlfühlzone und gebt auch Bands einer anderen von euch bevorzugten Rock’n’Roll-Stilrichtung eine Chance und unterstützt die Bands mit CD- und Merchandisekäufen!