auf ein Bier mit Dieter Kropp

Blues auf Deutsch, geht das überhaupt? Und wie das geht! Die deutsche Blues-Koryphäe Dieter Kropp zeigt dieses sehr eindrücklich im Stil des ursprünglichen Blues und textlich gekonnt, mit Augenzwinkern, Ironie und Herzschmerz quer durch allerlei Alltagsthemen. Musik handgemacht, pur und authentisch! Sein aktuelles Album »Bis auf ..., aber sonst ...!« überzeugt mit seinem authentischen und individuellen, bluesigen Sound und dem textlich gelungenen Spiel über Alltagssorgen und Alltagsthemen. Mit einer großen Portion Selbstironie und Humor nimmt Dieter Kropp den Hörer mit auf die Reise zwischen Singleagenturen, Candlelight Dinner, platte Reifen oder langsam schütter werdendes Haar. Das hat natürlich neugierig gemacht und ich habe Dieter Kropp ein paar Fragen gestellt.

Dieter Kropp:
Weitere Infos:
- Homepage: Dieter Kropp
- Wikipedia: Dieter Kropp

Bis auf ..., aber sonst ...!
Dieter Kropp
Bis auf ..., aber sonst ...!
(2020 / Spareribs Records SPR 09)

Die Band:
Dieter Kropp Gesang, Mundharmonika
Tomi Leino Gitarre
Jimmy Reiter Gitarre
Jaska Prepula Bass
Mikko Peltola Schlagzeug

Trackliste:
Bis auf ..., aber sonst ...!
Singleagentur
Ganz lässig und bequem
Candlelight Dinner
Es ist wieder mal der Montag
Vierzig Grad im Schatten
Rummelbummel
So ’ne Ahnung
Nummer Zehn
An mich selbst gewöhnt
Schönen Gruß an Jimmy!
Triggerpunkt
Wochenend’
Volatil
Rummelbummel, Part II

Interview:

rockin and rollin: Hallo Dieter, danke das du dir Zeit für unser Interview nimmst. Stell dich und deinen musikalischen Werdegang bitte einmal kurz vor.

Dieter Kropp: Ja, Chris, sei ganz herzlich gegrüßt. Schön, dass wir auf diesem Wege mal zueinander kommen. Es freut mich natürlich sehr, dass ich mich hier auf einem Rock’n’Roll-Portal einmal kurz vorstellen darf, denn wenn Du nach meinem musikalischem Werdegang fragst, nun, es ist eine Elvis-Platte gewesen, die mich total geflasht und infiziert hat. Das war 1974, und das Album hieß »A Portrait In Music«. Da war so ziemlich alles drauf: von der Ballade bis zum Rock’n’Roll, und was mich absolut umgehauen hat seinerzeit, waren die Titel »Hound Dog« und »Jailhouse Rock«. Da begann ich dann auch später, nachzuforschen, wo da eigentlich die Ursprünge dieser Songs waren, bin dann auf Big Mama Thornton, Joe Turner und später auf Arthur Crudup und Arthur Gunter gestoßen. Zu Anfang habe ich das alles als »Oldies« aufgefasst, ich fand den »Memory Hits Fan Club«, ich suchte Radio-Sendungen, die sich mit der Musik aus früheren Tagen befassten, und ich fand Moderatoren und Shows, die mich neugierig machten auf den Rhythm’n’Blues und Blues. Auch habe ich einige Zeit einen Rock’n’Roll- und Oldies-Fan-Club geleitet, wo wir im Keller meiner Eltern unsere monatlichen Treffen hatten, auf denen ich als Discjockey fungierte, die Platten aufgelegt und moderiert habe. Da war ich so 16 / 17 Jahre alt. Na, die Reise ging dann rasch weiter. Es gab eine Platte von Sonny Terry und Brownie McGhee, die ein Freund von mir mal mitbrachte. Dieser Freund hatte diese Platte bei einem seiner Kumpels gehört, und fand das ziemlich klasse. Mich hat’s total begeistert, was da einer mit ’ner Mundharmonika gemacht hat, und dann habe ich mich da eben auch mal dran versucht. Die Umstände meinten es wohl ganz gut mit mir, denn der Freund, der die Platte mitgebracht hatte, versuchte sich daran, Gitarre zu spielen, Blues-Gitarre. Da kamen wir also zusammen und haben reichlich gehört und viel Zeit damit verbracht, zu proben. Das war ungefähr vor vierzig Jahren. Es folgte dann als Konsequenz das erste Konzert am 31. Oktober 1981 im Jugendraum der Turnhalle unseres Wohnortes Bega, ein kleines Dorf im Kreis Lippe. Naja, was soll ich sagen, danach ging es dann irgendwie weiter – mit unzähligen Konzertbesuchen, Schallplatten hören, proben, proben, proben. Ich versuche es, jetzt wirklich mal kurz zu fassen: Ich habe dann in verschiedenen Formationen gespielt, und zeitweise bis zu 120 Konzerten pro Jahr gespielt, und in der Folgezeit auch Schallplatten und CDs aufgenommen. Seit dem Herbst 1989 habe ich dann auch begonnen, Workshops zu geben und zu unterrichten. 2006 erschien das »Blues Harp Songbook« von mir im Voggenreiter Verlag. Dann kamen die »Blues Harp Schule für Einsteiger« in 2009, und in 2015 die »Blues Harp Schule 2«. Der »Blues Harp Ratgeber« kam in 2017 heraus. Das also als wichtigste Werke jetzt mal. Auch habe ich mich immer bemüht meine großen musikalischen Helden hier in unsere Region zu holen, und habe immer auch schon Konzerte mit organisiert, manchmal als Veranstalter, zumeist aber eher als Koordinator, wenn ich das Glück hatte, mit dem KulturTeam der Stadt Detmold, mit dem LWL Freilichtmuseum Detmold oder anderen Institutionen noch zusammen arbeiten zu können. Das erste Konzert mit Charlie Musselwhite habe ich schon 1985 auf die Beine gestellt. Dann folgte von 1993 über nahezu zehn Jahre eine Konzertreihe in Detmold unter dem Titel »The Blues live« mit 7 – 8 Konzerten pro Jahr, das »Blues Fest Detmold« gab es von 1996 an dann auch über 17 Jahre. »Dieter Kropp’s Rhythm’n’Blues & Blues Revue« durften wir auch immerhin fünf Mal stattfinden lassen. In diesem Format gesellten sich zu meiner festen Band noch ein vier-köpfiger Bläsersatz, ein Pianist, und manchmal auch noch ein oder zwei Sängerinnen. Das hat das KulturTeam der Stadt Detmold veranstaltet, in der Stadthalle in Detmold. Dann ebenfalls und teils parallel den »NikolausBlues« im LWL-Freilichtmuseum, das wäre jetzt in 2020 das 16. Mal gewesen, und die Reihe »Schönen Gruß vom Blues!« mit fünf Konzerten pro Jahr gibt es seit 2009, und nun seit Oktober 2020 gibt es mein zehntes Album. Das ist ja auch irgendwie im Kontext mit den ganzen Konzerten entstanden. Die Verbindung zum Tomi Leino Trio beispielsweise, und auch die zu Jimmy Reiter. Die habe ich dann mal eingeladen zum »Blues Harmonica Blowout« – sorry, hatte ich oben bei der Aufzählung glatt vergessen zu erwähnen – und an dem Wochenende im März 2018 haben wir dann nicht nur die Konzerte gespielt, Workshops gemacht, und viel erzählt und gelacht, nein, wir haben uns am Sonntag des Wochenendes auch noch im Studio verabredet, und die Basis und Grundlagen für »Bis auf …, aber sonst …!« eingespielt.

rockin and rollin: 1995 wurdest du mit dem »Kulturpreis des Landesverbandes Lippe« ausgezeichnet. Dein 2005 erschienenes Album »Herzensbrecher« wurde im Bluesnews-Magazin als »Bestes nationales Blues Album des Jahres« ausgezeichnet. Bei der Verleihung des »Deutschen Rock und Pop Preises 2010« gab es Gold in der Kategorie »Bestes Rhythm’n’Blues Album«, einen dritten Platz als »Bestes Pop-Album«, einen 2. Preis als »Bester Rhythm’n’Blues Sänger« und Gold in der Kategorie »Bestes Blasinstrument«. Dann wurde dein 2010 erschienenes Album »Schönen Gruß vom Blues!« für einen ersten Preis bei den »German Blues Awards« nominiert. Es folgten weitere Nominierungen für einen »German Blues Award« in 2014, 2016, 2018 und 2020 in der Kategorie „Mundharmonika“. Dazu Nominierungen zum „Best European Blues Harmonica Player“ bei den »Trophées France Blues« in 2000 und 2001. Mit „Bis auf …, aber sonst …!“ bist Du ganz aktuell unter die Nominierten zum „Preis der deutschen Schallplattenkritik“ in der Vierteljahresliste 01/2021 gekommen. Nur ein paar Eckpunkte aus deinen Erfolgen. Was bedeuten diese Erfolge für dich persönlich?

Dieter Kropp: Nun, schon eine gewisse Beruhigung darüber, dass nicht alles so ganz für die Katz war, was man da so gemacht hat … 😉 Nein, Scherz beiseite. Also schon eine Art von Wertschätzung für das eigene Tun und Treiben. Eine Art „feedback“, was ja auch jede Rezension einer CD oder jede Besprechung eines Konzertes ist. Umso erfreulicher für einen selbst, wenn dann die Resonanz einigermaßen positiv ausfällt.

rockin and rollin: Was bedeutet »Blues« für dich als Mensch und musikalisch und wo liegt für dich der ganz persönliche Reiz in diesem Musikstil?

Dieter Kropp: Nun, das ist eine ganz interessante Frage, und der stelle ich mich selbst häufig, aber sicherlich kannst Du Dir vorstellen, dass mir die auch früher schon oft gestellt wurde. Als ich anfing zu spielen und zu üben und diese Musik für mich entdeckte – da war ich halt so 18 / 19 Jahre alt, in der Oberstufe des Gymnasiums und in Vorbereitung auf das Abitur, da ging das schon los. Da wurde mir schon gesagt, solch eine Musik, die könne doch kein „Weißer“ spielen und interpretieren, solch eine Musik, nun, da muss es einem doch eher schlecht gehen, und ich da so als ein mit bescheidenem Wohlstand ausgestattetem Mittelklasse-Jungen und einer gut behüteten Jugend, dem schien es wohl nicht gestattet, diese Art von Musik zu spielen. Das fand ich irritierend. Wo ich doch einfach nur diese Musik gut gefunden habe, und eben dann auch probiert habe, da etwas von zu spielen. Auf der Mundharmonika eben. Das fand ich so für mich einfach erst mal gut. Aber es ging weiter mit der Irritation. Ich hab Industriekaufmann gelernt. Oh weh, das ging ja für eine ganze Reihe von Leuten so nun grad mal gar nicht mit dem Blues zusammen. Ich war noch mehr irritiert. Warum sollte ich, der ich diese Musik nun mal klasse fand, diese nicht auch spielen dürfen – nach Ansicht einiger, tja, wie soll ich sagen: Leute? Intellektueller Mittelschicht? Weiß ich nicht. Ich habe einfach weitergemacht. Klar, ich kannte keine Baumwollfelder, kannte nichts von Unterdrückung. Ich spielte und spiele diese Musik und versuche mich, darin auszudrücken.

Ich kann mich in dieser musikalischen Form am besten ausdrücken. Sie ist einfach und überschaubar, und im Grunde jeden Abend neu. Wir haben im Blues unsere harmonische Basis, eine musikalische Grundlage, die eingesetzt wird, aber wir versuchen jeden Abend, jedes Konzert neu zu gestalten. Das ergibt sich ja manchmal ganz zwangsläufig schon daraus, dass man selbst auch nicht jeden Tag gleich gut gelaunt ist. Also beispielsweise jetzt mal. Im Zusammenspiel mit anderen Musikern ja sowieso, da interpretiert jeder anders und geht anders damit um, so ergibt sich dabei immer etwas anderes und neues. Das ist mein persönlicher Reiz an diesem Musikstil. Du bist sehr frei in dem was Du tust, und Deiner Improvisationslust sind nahezu keinerlei Grenzen gesetzt.

Wenn ich nun so mal drüber nachdenke, warum und wieso diese Musik anfangs dann eben auch gespielt wurde – also zum Tanz, um die Sorgen des Alltags zu vergessen und zu vertreiben, zur Geselligkeit und zum Vergnügen, dann find ich mich da schon mal ganz gut positioniert. Dann lese ich noch ein Zitat von Buddy Guy, der da sagt: »Music makes people happy, and that’s why I go on doing it – I like to see everybody smile.« Tja, da finde ich mich dann auch irgendwie drin wieder: Ich mag das sehr, auf der Bühne zu stehen und mit dem was ich da so tue, den Menschen ein bisschen Freude zu bereiten, und alle lachen zu sehen. Als unser Programm noch ausschließlich mit englisch sprachigen Stücken gespielt wurde, waren es die Moderationen zwischen den Titeln, die ich neben einer etwas eher gut gelaunten Herangehensweise an die Musik auch dafür genutzt habe – seitdem auch die Texte der Songs in deutsch sind, bin ich da insgesamt noch runder mit.

rockin and rollin: Was sind deine persönlichen Favoriten und Inspirationen in puncto Musik? Und warum?

Dieter Kropp: Da gibt es einige, und immer wieder auch viele neue Musiker, die ich entdecke. Als wichtigste erst einmal die Mundharmonikaspieler: Little Walter, Walter Horton, Sonny Boy Williamson I und Sonny Boy Williamson II sowie als ganz großem Einfluss Charlie Musselwhite. Es ist schon verwunderlich, dass man praktisch bei jedem Hören immer noch etwas neues, anderes entdecken kann und weitere Möglichkeiten der Artikulation und Phrasierungen heraustüftelt. Da geht es beim Spielen halt drum. Ich merke nur auch immer mehr, dass ich mehr und mehr dahin tendiere, mich darum zu kümmern, wie der Klang des Instrumentes ist. Also voll und rund, und mit Ausdruck zu klingen, das sind die Aspekte, die mich interessieren. Durch Gesangsstunden habe ich halt gelernt, dass der Hals-Rachen-Trakt-Bereich ein ganz großer Resonanzraum werden kann, und ich mit dem Instrument einen größeren und volleren Klang bekommen kann, wenn ich diese Räume in mein Spiel integriere. Das ist das „warum“. Es interessiert mich einfach, wie ich einen großen Klang aus einem solch kleinen Instrument herausholen kann. Da kann man sich schon mal mit beschäftigen 😉

rockin and rollin: Mittlerweile ist mit »Bis auf …, aber sonst …!« dein zehntes Album auf dem Markt, welches du mit dem Tomi Leino Trio und Jimmy Reiter umgesetzt hast. Wie kam es zu dem musikalischen Zusammenschluss und der Idee zu dem Album?

Dieter Kropp: Nun, mit der Idee, einfach mal ein schönes, ganz traditionelles Blues-Album einzuspielen, mit der Idee geh’ ich schon seit gefühlten Ewigkeiten schwanger. Allein die Gelegenheit dazu hat sich nicht ergeben. Das hat natürlich wie immer mehrere Gründe. Seit 2014 / 2015 spiele ich im Grunde ja nicht mehr mit einer festen Band. Mich hat es auf lange Sicht einfach zermürbt, mich ständig damit konfrontiert zu sehen, dass Du es als „Bandleader“ eigentlich eh keinem Recht machen kannst. Dann passt das Hotel nicht, dann ist die Anreise zu lang, vom Honorar ganz zu schweigen. Mich mit Fragen auseinandersetzen zu müssen, wann es denn was zu essen gibt, und warum schon wieder Pizza? Na, das ist man dann einfach irgendwann auch mal leid. So habe ich es dann einfach mal nach dreißig Jahren mit Band auslaufen lassen, was eine feste Formation angeht. Aber dennoch mag ich es ja, in einem kompletten Band-Kontext zu spielen, und da gab es für mich in Detmold eben die Chance, in der Konzertreihe »Schönen Gruß vom Blues!« Gäste einzuladen, mit denen ich in allen möglichen Zusammenstellungen musizieren konnte, und das hat immer reichlich Vergnügen gemacht. Öfters mal was anderes und neues. Das war ein großer Spaß. Das Tomi Leino Trio hatte ich schon einmal, ich glaub in 2013, für das »Blues Fest Detmold« eingeladen und zwischendurch ergab sich während einer ihrer Tourneen hier durch Deutschland auch die Möglichkeit, mit ihnen zusammen einige Playbacks und Titel für eines meiner Lehrbücher einzuspielen. Da lernt man sich ein bisschen kennen, und weiß so ungefähr, wie die anderen ticken. Und: ich wollte schon immer mal ausprobieren, wie es klingt, mit zwei Gitarristen zu spielen, und da fand ich den Jimmy Reiter. Ein großes Glück. Wir haben dann geschaut, ein komplettes Wochenende im März 2018 zu reservieren, konnten am Donnerstag in Hildesheim spielen, am Freitag und Samstag in Detmold und sind dann am Sonntag in ein Studio bei Bielefeld gefahren, um dort einige Songs einzuspielen. Daraus wurden dann einige mehr, und es entstand ein komplettes Album. Was an dem Tag passiert ist, ist schon gewaltig. Für einige Songs hatte ich Ideen, manchmal recht konkret schon und manchmal eher nur rudimentär. Es stellte sich recht bald heraus, dass grad ich jetzt doch noch mehr Zeit benötigte, um einen Song bis zu dem Punkt einzuspielen, wo ich denke, dass ist gut und fertig so. Also die ursprüngliche Idee, doch einfach mal vier bis fünf Songs komplett einzuspielen, musste ich irgendwann ad acta legen, um zu sagen: Okay, dass geht jetzt so heute und hier nicht, weil ich damit an dem Tag einfach etwas überfordert war. Dann ergab es sich fast von selbst, dass wir mit den Basis-Tracks einfach weitergemacht haben. Sprich: Mein Mappe mit Texten und Notizen wurde durchstöbert, und es wurden dann aufgrund dieser notierten Gedanken die entsprechenden Playbacks mit Gesangs- und Melodiefragmenten eingespielt, damit ich die musikalischen Grundlagen habe, um die Songs und Texte dann im Laufe der nächsten Zeit komplett und in Ruhe zu Ende texten, einzuspielen und einzusingen. Was dann ja auch noch knapp zweieinhalb Jahre, gedauert hat. Aber ich muss gestehen, dass ich genau diese Zeit und den stressfreien Umgang damit gebraucht habe und mir das sehr gut getan hat. Diese Arbeitsweise kommt mir und meinem Gemüt scheinbar sehr entgegen. Langsam und gemütlich, immer wieder noch einmal hören, immer wieder noch einmal an Ideen herumbasteln, Textzeilen noch einmal ändern zu können, wenn sie mir nicht gefallen – das war für mich wirklich sehr gut, mich eine solche lange Zeit damit beschäftigen zu können. Nun waren es ja auch mal meine ersten Texte, die ich selbst geschrieben habe. Da braucht es dann ja auch noch immer Zeit, sich daran zu gewöhnen und die dann auch noch gut oder zumindest einigermaßen „okay“ zu finden. Ein langer Prozess, der viel Geduld mit sich selbst fordert.

rockin and rollin: Was ist dein persönliches Highlight auf deinem Album »Bis auf …, aber sonst …!«?

Dieter Kropp: Da mag ich keinen der Titel herausstellen.

rockin and rollin: Blues mit deutschen Texten, ungewöhnlich und sicherlich, zwischen dem Spiel mit den Wörtern und der Musik, eine Herausforderung als Musiker. Wie bist du auf diese Idee gekommen?

Dieter Kropp: Da bin ich ja nun nicht wirklich selbst drauf gekommen. Das war »Das Dritte Ohr« und Udo Wolff. 1980 erschien deren deutschsprachiges Album »Zahltag«. Da sang tatsächlich jemand Blues auf deutsch, großartig fand ich das. Und der war damit ganz nah dran an den Menschen und am alltäglichem Geschehen. Das fiel nun grad in die Zeit, in der ich begann, mich etwas intensiver mit alldem auseinander zu setzten, mit dem Spielen und der Musik, und dem drum herum. Wir sind dieser Band seinerzeit hinterher gefahren, haben möglichst viele Konzerte besucht. Und jedes war irgendwie anders, und hatte seinen eigenen Reiz und Gesetze. Nun brauchte es fast vierzig Jahre bis ich mich dann selbst mal getraut habe, in deutsch zu texten und diese Stücke auch auf einer CD zu veröffentlichen, aber nun, so ist es dann halt. Unterwegs mit deutschen Texten bin ich ja nun schon seit 2005 und der CD »Herzensbrecher«, allerdings immer mit Texten von anderen Leuten, wie beispielsweise von Felix Janosa und Dirk Schelpmeier. Ein erster Anstoß und eine frühe Anregung dazu, es mal mit deutschen Texten zu probieren, kam Ende der neunziger Jahre vom US-Amerikaner R.J. Mischo, ebenfalls Mundharmonikaspieler und Sänger, der mich einfach mal unbekümmert fragte, warum ich denn eigentlich nicht deutsch singen würde, also in meiner Muttersprache, das wäre doch sicherlich einfacher für mich, auch eben was Inhalte und Pointen anginge.

Das hat mich scheinbar sehr lang beschäftigt und war immer so im „Hinterstübchen“, und als dann Felix Janosa nach der Veröffentlichung von »seven nights« in 2003 mal anfragte, ob ich nicht mal in deutsch singen wollte, hab ich mich dem auch nicht mehr verweigert. Er hat dann mal drei Texte geschrieben, die ich gut fand, die meinem Humor entsprachen und mit denen ich mich auch trauen konnte, aufzutreten. Gesagt, getan. Fühlte sich erst mal komisch und ungewohnt an, na klar, aber die Reaktionen aus dem Publikum waren zumeist recht positiv und aufmunternd, und für mich fühlte sich das dazu auch einfach noch besser an. Ab diesem Zeitpunkt glaub ich, habe ich mir selbst erlaubt, wie Dieter Kropp zu klingen, und nicht mehr zu versuchen so zu klingen wie all meine Vorbilder, bei Elvis angefangen bis zu Muddy Waters.

rockin and rollin: Mit Wortwitz und gekonnter Sprachakrobatik spielst du textlich gekonnt, mit Augenzwinkern, Ironie und Herzschmerz quer durch allerlei Alltagsthemen. Im Grunde, dieselbe Rangehensweise des guten alten Blues. Wie schwer ist es dieses so auf Deutsch umzusetzen und wo liegt dabei die besondere Herausforderung?

Dieter Kropp: Oh, das freut mich sehr, dass Du das auch so siehst: Dieselbe Herangehensweise des guten alten Blues. Genau. Genau das versuche ich zu tun. Nichts anderes. Nur sind heute die Themen eben andere. Da geht es dann eben auch mal um Singleagenturen, Candlelight Dinner, platte Reifen oder langsam schütter werdendes Haar. Mit einer großen Portion Selbstironie und Humor versuche ich den Hörer da mit auf die Reise zu nehmen, und neulich sprach noch jemand davon, dass bei all diesen Texten, die ich da so schreibe und singe, dass man da immer so das Gefühl hat, das könnte auch mir schon mal passiert sein oder jemandem ich kenne. Ja, das ist’s doch. Das finde ich schön, solche Reaktionen. Die Gefahr, die besteht, ist es, in Peinlichkeiten abzugleiten.
Wenn die Pointen dann vielleicht doch manchmal zu plump und stumpf sind – dann gehören die auch noch nicht veröffentlicht und bleiben lieber noch in der Mappe, bis es dann mal passt. Ich versuche, mich da manchmal eher in der Liedermacher-Tradition zu bewegen, und eben Geschichten zu erzählen. Umso erfreulicher, dass ich aktuell auch sogar mit vier Liedern aus dem Album in der Wertung der »Liederbestenliste« vertreten bin. Der eingeschlagene Weg scheint also schon so irgendwie okay zu sein.

rockin and rollin: Wenn du auf deine bisherigen Veröffentlichungen zurückschaust, welches davon betrachtest du als dein ganz persönliches »Herzstück« und welche Geschichte gibt es dazu?

Dieter Kropp: Geschichten gibt es ja zu jeder der Veröffentlichungen, das würde jetzt sicherlich den Rahmen sprengen. Alle sind sie irgendwie ja ganz besondere »Herzstücke«. Jedes ist entstanden in einer besonderen Zeit der Entwicklung oder der eigenen Ideen und Auffassung dessen, was man da so machen möchte. Jedes Album finde ich hat seinen eigenen Sound und ist ein eigener Soundtrack der Zeit in der es entstanden ist. Manchmal war die Entstehungsgeschichte eine mühsame, manchmal war der Prozess ein ganz entspannter und lockerer. Damit sind wir wieder bei den Geschichten drum herum, und, was soll ich sagen, um es mal kurz und knapp zu sagen: Ich habe alle meine Veröffentlichungen ganz lieb.

rockin and rollin: Was sind deine aktuellen Pläne und an welchem Projekt arbeitest du derzeit?

Dieter Kropp: Derzeit arbeite ich gar nicht mal an einem ganz speziellen Projekt, sondern ich beschäftige mich grad sehr mit dem akustischem Sound meines Instrumentes und versuche noch mehr darüber heraus zu finden. Ansatz, Atmung, rhythmische Finessen, Einsatz der Zunge und verschiedenen Klangvarianten durch den Einsatz der Hände – tja, damit vertreibe ich mir so die Zeit 😉 Dazu kommt, dass ich dabei bin, weitere Tutorials vorzubereiten und dann auch fertig zu stellen, die auf meiner Webseite unter dem Titel »Blues Harp Workouts« vorgestellt werden und wovon es mittlerweile schon fünf Ausgaben gibt. Das sind jeweils spezielle Themen, die spieltechnische Aspekte der Mundharmonika durchleuchten. Sei es nun die Begleitung eines Sängers, oder die Aspekte einen Song zu gestalten bis hin zur Improvisation. Das richtet sich dann ja eher an etwas fortgeschrittene Spielerinnen und Spieler. Vom Voggenreiter Verlag bekam ich die Aufgabe, doch in diesem Jahr wieder einmal die »Blues Harp Schule für Einsteiger« durchzuschauen, zu überarbeiten, neue Erkenntnisse einfließen zu lassen und auch einige neue Lehr-Videos zu drehen. Und wo ich schon mal dabei bin, auch noch mal zu schauen, ob beim »Blues Harp Songbook« noch so alles okay ist.
Was ich momentan auch immer wieder feststelle, ist, dass immer häufiger mal wieder die Mappe mit den angefangenen Texten aufgeschlagen wird, und ich auch da immer mal wieder drin herum schreibe. Sieht so aus, dass ich mich wieder auch einmal mit neuen Stücken beschäftige. So etwas kommt und passiert bei mir immer eher „nebenbei“, ist nicht geplant. Das kann ich nicht so gut, mich hinzusetzen, und schon mit der Idee mich daran zu begeben, nun etwas Neues zu entwickeln. Das passiert meistens in einer spielerischen Laune, beim Proben. Vor einiger Zeit hatte ich mich mal mit dem Gedanken beschäftigt, ein akustisches Album einzuspielen. Das hab ich dann wieder verworfen, weil wir es nicht geschafft haben, einen Studio-Termin zu finden, und ich auch eigentlich gar nicht genug Ideen und Material dafür gehabt habe. Mittlerweile scheint sich das ja wieder zu bessern und es kommt langsam in Fluss.

rockin and rollin: Dieter, ganz großen Dank für das Interview!