auf ein Bier mit der Rockabilly Mafia

Seit über dreißig Jahren erfreuen die Jungs aus Elmshorn ihre Fans mit ihrem unverwechselbaren Stil, Sound und Bühnenpower. Als Nordkind hat mich die »Rockabilly Mafia« seit den 80er fest begleitet und mit vielen ihrer Songs verbinde ich für mich persönlich Geschichten voller Höhen und Tiefen. Vielleicht weil ihre Musik und ihre Texte mit mir zusammen groß wurden oder weil sie mitunter einfach treffen und ein Teil einer großen Geschichte erzählen. Das muss jeder für sich selber bestimmen. Ich für meinen Teil habe mich sehr gefreut, den Jungs von der »Rockabilly Mafia« ein paar Fragen stellen zu dürfen. Hier ihre Antworten ...

Rockabilly Mafia

Rockabilly Mafia:
Michael 'Ted' Harbeck - Schlagbass und Gesang
Karsten 'Tex' Willer - Gitarre
Björn Karl - Schlagzeug
Heimat: Elmshorn, Deutschland
Plattenfirma: Crazy Love Records
Booking: www.rockabillymafia.de
Weitere Infos:
- Webseite: Rockabilly Mafia
- Facebook: Rockabilly Mafia

Interview:

rockin and rollin: Moin, ich denke die »Rockabilly Mafia« näher vorstellen braucht man nicht. Wer euch bisher nicht kennt, der hat eh etwas im Leben verpasst. Ihr seit mittlerweile 32 Jahre musikalisch unterwegs und kein bisschen leiser geworden. Wie ist euer eigener Rückblick auf die letzten 32 Jahre?

Michael 'Ted' Harbeck: Das ist keine Frage für ein Interview, sondern die Einleitung zu einem richtig fetten Wälzer. Es ist schlichtweg unmöglich, in einem Rahmen wie diesem dazu eine passende Antwort zu geben. Sorry. Vielleicht passt aber der Begriff „Dankbarkeit“ ganz gut. Dankbarkeit dafür, dass wir in all den Jahren machen konnten, was wir wollten, und es immer noch, oder ehrlich gesagt immer mehr Leute gibt, die das auch gut finden. Das Leben hat zuweilen ein seltsames Timing.

rockin and rollin: Wie seit ihr persönlich zum Rock’n’Roll gekommen?

Michael 'Ted' Harbeck: Bei mir lief das fast ein wenig zu klischeehaft: Ich hörte im Sommer 1976 Haleys »Rock around the Clock« und zack, war’s passiert. Ich wusste wirklich sofort, dass mein Leben von nun an anders laufen würde. Dabei ist es geblieben.

Karsten 'Tex' Willer: Ich habe 1979 das erste Mal »My Baby left me« von Elvis gehört, und da war es um mich geschehen. Dieser Bass und diese tolle Gitarre und die Stimme von Elvis ... einfach klasse. In den 80er waren wir dann oft im »Charmeuse« in Hamburg, da hab ich dann 1982 das erste mal sowas wie die Deltas, Ricochets und die Blue Cats gehört. Diese Musik hat dann meine Begeisterung für den Neorockabilly geweckt.

rockin and rollin: Was war damals der Ausschlag gewesen musikalisch etwas ganz anderes zu machen, sofort rein mit eigenen Songs und Sound durchzustarten. Und das Ganze dabei erst in englisch und dann, 1992 mit »Heimweh nach Elmshorn«, überwiegend in deutsch umzusetzen?

Michael 'Ted' Harbeck: Wenn ich ehrlich bin, war es für mich eine Frage von Ökonomie und Eitelkeit. Ich habe mir damals gedacht: „Wenn ich mir die Lieder schon so mühsam raufschaffen muss, warum dann nicht gleich was Eigenes?“ Nachspielen kann jeder, und besser wird’s eigentlich nie als das Vorbild. Es gilt immer noch, was ich 1989 auf die Linernotes von »Woman, Oh, Woman« schrieb: Wer spielt »Blue Suede Shoes« besser als Carl Perkins? Eben. Da war es dann ein kurzer Schritt, nach der Musik auch die Texte zu machen, und die dann auch in Deutsch der folgerichtig nächste. Es fing mit englischen Texten an, ich hätte auch japanische, französische oder russische gemacht, hätte ich die Sprachen beherrscht. Leider hatte ich ansonsten nur Latein, und das war selbst mir zu blöde, außerdem war ich zu schlecht. Zunächst waren die deutschen Texte ein Gimmick, aber ich merkte sehr schnell, dass ich mich auf diesem Wege viel unmittelbarer mitteilen konnte, der Effekt bei den Leuten war frappierend. Heute mache ich die Texte meist grundsätzlich in Deutsch und übersetze sie anschließend, wobei sich wichtige Einzelheiten häufig ändern. Naja, und überhaupt macht es natürlich viel mehr Spaß, von sich selbst zu erzählen und nicht die Erfahrungen anderer Leute nachzubeten, egal in welcher Sprache.

rockin and rollin: Eure Lieder haben mich, schon seit eurem Album »The Streets of Elmshorn«, begleitet und es war damals schon etwas richtig besonderes gewesen. Rockabilly aus Deutschland, dann noch den markanten Hamburger Slang in der Stimme von Michael ›Ted‹ Harbeck und durch die Bank eigene Songs. Dennoch war, neben der ganzen Euphorie, die Skepsis da gewesen, ob euer Musikstil besteht. Hat er, und aus meiner Sicht seit ihr einer der wenigen deutschen Bands die sich sowohl musikalisch, wie auch textlich kontinuierlich weiterentwickelt habt. Wo früher mehr Lieder über Partys, Feiern und drauf machen zu finden waren sind heute Texte anzufinden, welche tiefsinniger sind und auch Problematiken ansprechen. Wie kam es zu dieser Entwicklung?

Michael 'Ted' Harbeck: Nun, irgendwann war eben alles gesagt zu durchzechten Nächten, langen Sakkos, dicken Sohlen und dem ganzen anderen Kram, der junge Männer damals zu ganzen Kerlen machte. Und dann? Viele Bands haben dann den Zenit ihrer Möglichkeiten erreicht und ergehen sich für die Restlaufzeit in Wiederholung des Bekannten. Davon ist natürlich niemand frei, aber unser Anspruch ist und war stets ein anderer: Wir haben unsere Musik immer als Spiegel unserer Leben betrachtet, und das ist mit den eben erwähnten Jungmännerblödeleien ja nicht vorbei. Also braucht es Texte über die Themen, die gerade aktuell sind, sonst ist die Musik losgelöst von der gelebten Realität, und sowas wird sofort auf Kosten der Glaubwürdigkeit gehen. Glaubwürdigkeit ist aber der Eckstein des Ganzen. So kamen dann der Tod, das Leid, die Depression, dunkles Begehren, die Melancholie, die Magengeschwüre und die kaputten Knie in unsere Texte, jippie…

rockin and rollin: Ich finde es immer interessant, wenn man im Internet einige Diskussionen zu euch und eurer Musik verfolgt. Es gibt in Punkto »Mafia« allen Anschein ja nur zwei Sichtweisen, entweder man liebt euch oder man hasst euch. Was ich sehr gut finde, es ist euch allen Anschein nach »Latte« und ihr geht als Band unbeirrbar euren eigenen Weg. Und das schon seit über 30 Jahren. Wie geht ihr mit diesen Diskussionen um?

Michael 'Ted' Harbeck: Gar nicht, denn wir sind in diese Diskussion in Wirklichkeit gar nicht involviert. Es geht doch gar nicht um unsere Texte und schon gar nicht um die „Raffinesse des Einfachen“, mit der wir, mal ganz unbescheiden formuliert, unsere Musik machen. Das ist den Leuten bei den Diskussionen, die ich im Netz gesehen habe, total egal gewesen. Es geht dort meines Erachtens in erster Linie darum, sich u.a. mit Hilfe der Rockabilly Mafia selbst zu positionieren. Divise: Daumen hoch, Daumen runter, ich bin dafür oder dagegen, also bin ich. Wie gesagt, mit uns und unseren Beweggründen hat das gar nicht zu tun, und ich persönlich möchte auch gar nicht damit zu tun haben. Wir machen Musik, deshalb fehlt uns die Zeit, darüber zu reden.

rockin and rollin: Man kann ja auch einmal das Blatt wenden und nicht den Blick der Szene auf euch als Band nehmen, sondern den Blick von euch als Band auf die deutsche Rockabilly-Szene der 80er wie auch heute. Wie seht ihr die Entwicklung und eure persönliche Meinung dazu? Gibt es Unterschiede zwischen damals und heute?

Michael 'Ted' Harbeck: Wieder so eine Frage, über die man ein Buch schreiben müsste. Ja, es ist alles komplett anders, und es ist in Bezug auf unsere Musik so belanglos wie eh und je: Wir haben immer, also in den 80igern und auch heute sowie in der ganzen Zeit dazwischen unseren eigenen Kram gemacht und damit unser Publikum erreicht. Unsere Musik hat sich auf ihre ganz eigene Art entwickelt, wie das mit Dingen passiert, die Zeit haben und brauchen. Ehrlich gesagt waren wir immer neben dem Trend und sind auf unsere Art so auch immer aktuell geblieben. Jede Zeit hat ihre Besonderheiten, Haarspraylocken oder Hipstervollbart, Lederweste oder Bundfaltenhose, jedem erscheint das dämlich, was die Anderen gerade machen. Die Jungen gegen die Alten, die Greaser gegen die Psychos. Jungs gegen Mädchen. Bin ich hier im Kindergarten oder was? Das ist mir alles sowas von scheißegal und ich habe keine Lust auf dieses „Weißt du noch, damals“-Gelaber. Natürlich liegt inzwischen mehr hinter als vor einem, und genau deshalb habe ich keine Zeit zur Retrospektive.

rockin and rollin: Deutsch, englisch, ihr scheut in eurer Musik beide sprachlichen Richtungen nicht, und entgegen vieler anderer Bands mischt ihr Songs beider Sprachen auch bewusst in euren CD’s. Bestimmter Hintergrund dazu oder einfach nur so?

Michael 'Ted' Harbeck: Mit den englischen Texten punkten wir weltweit, mit den deutschen hier. Nur in deutscher Sprache zu texten war und ist mir zu wenig, auch wenn man das häufig nicht wahrnimmt, wir hatten immer einen kosmopolitischen Anspruch. Die Dinge, die uns Menschen bewegen, sind überall gleich. Da ist Englisch ein probates Mittel. Es ist andererseits eine Freude, mit meiner Muttersprache Deutsch die Leute direkt zu erreichen. Immer, wenn wir im Ausland sind, spielen wir auch ein paar deutsche Titel, um zu zeigen, woher wir kommen. Wir machen das in dem Bewusstsein, dass dies eine große Welt mit vielen gleichwertigen Heimaten ist. Das ist der Unterschied zwischen Patriotismus und Nationalismus.

rockin and rollin: Aber einmal ein Blick zurück, das persönliche Feeling beim ersten Live-Auftritt? Und dazu im direkten Vergleich, euer Gefühl als euch vor zwei Jahren bewusst wurdet..mensch, das sind jetzt 30 Jahre »Rockabilly Mafia«?

Michael 'Ted' Harbeck: Komisch, beide Fragen gehören zusammen, denn einer unserer sehr frühen Auftritte führte uns Ostern 1987 erstmals auf die Bühne der Markthalle in Hamburg. Ich weiß noch, ich guckte auf den abgeschabten Bretterboden und dachte: „Aha. Die Bretter, die die Welt bedeuten.“ Wir bekamen 150 Mark, aber nicht in bar, sondern als Plattengutschein. Das Bild auf der Rückseite von »Streets of Elmshorn« zeigt uns an jenem Abend. Wir waren voll bis über die Ohren, aber wir hatten den Leuten einen ganzen Set mit eigenen Stücken um die Ohren gehauen. Ein unbeschreiblich tolles Gefühl. Zum 30. Jubiläum standen wir an gleicher Stelle und ich dachte: „Die haben den Fußboden gemalt. Kann’s mal sehen.“ Da schloss sich schon ein gewaltiger Kreis. Ich war sehr gerührt, auch weil viele Leute von damals noch dabei waren, gar nicht so wenige aber auch nicht mehr. Schon komisch. Die Zeit ist wirklich schnell vergangen.

rockin and rollin: Eine kleine interessante oder lustige Anekdote aus den über 30 Jahren »Rockabilly Mafia«?

Michael 'Ted' Harbeck: Eine? Hunderte! Aber im Moment fällt mir keine ein.

rockin and rollin: Es gab da so zwei Alben, die ich auch mein eigen nenne, das eine ist »Der Norden haut drauf!« und die Antwort dazu »Der Ruhrpott schlägt zurück!«. Obwohl die Entstehungsgeschichte zu »Der Norden haut drauf!« ein trauriger Hintergrund ist, das Album ist ja der verstorbenen Heidi Dörr gewidmet, ist es dennoch ein sehr interessantes und musikalisch gemischtes Album geworden mit einer echt coolen Antwort aus dem Pott. Kurz eurer Rückblick dazu und ist dieses »musikalisch gegenseitig den Ball zuwerfen« eigentlich nicht wiederholungsbedürftig?
Und gleich noch eine Nachfrage zu »Der Norden haut drauf!«, welche ich mir nicht verkneifen kann ... EBS-Allstarband und »Die Bierbrauerin« ... warum ist das Lied mit auf dem Album gelandet und was ist die Geschichte hinter dem Song und der EBS-Allstarband?

Michael 'Ted' Harbeck: Auch diese Fragen möchte ich zusammenfassen. Ich bin meiner Erinnerung nach seltsamer Weise noch nie dazu befragt worden, deshalb gibt es jetzt eine Premiere: Zunächst vielleicht zu Heidi Dörr, der das Album ja gewidmet war: Sie und ihr Mann Achim betrieben in Hamburg die Boutique „Charmeuse“, in der ich zum Ende meines Studiums auch ein paar Jahre gearbeitet habe und die untrennbar mit den Jugendsubkulturen der Stadt verbunden war. Hier kaufte man Martins, Ranger, Cox-Creeper, Drapes, Harringtons, Fred Perry Sachen sowie Buttons und son Zeuch. Der Laden war eine Institution, und als Heidi starb, starb ein großer Teil der Seele des Ladens. Wir hatten im Frühjahr 1990 ein paar Aufnahmen gemacht, und ich weiß noch, wie ich Heidi sagte: „Nächstes Mal bring ich die Aufnahmen mit rein, ich hab jetzt keinen Bock, sie zu holen.“ Es gab kein nächstes Mal. Sie hat die Aufnahmen nie gehört. Ich hatte mich mit der Idee getragen einen Sampler zu machen und diverse Bands kontaktiert. Zu diesem Zeitpunkt sollte das Ding noch »Graveyard Rockabilly« heißen, und das Label trägt auch diesen Titel, da es schon so weit fertig war. Als klarer wurde, dass Achim die Platte finanzieren wollte, baute ich das Cover nochmal um und ersetzte das eigentlich geplante Friedhofstor durch so eine Explosion, in der die Bandnamen standen, ich fand den ersten Entwurf irgendwie taktlos. Für die Rückseite machten wir dann ein Bild vor dem Laden. Der Titel ist übrigens eine Verballhornung: Zu dieser Zeit hatte Astra mächtige Imageprobleme und startete eine peinliche Werbekampagne, Slogan: Astra – Der Norden taut auf. Das fand ich doof und machte draus »Der Norden haut drauf!« Achim ließ mich noch ein Poster dazu machen, fertig war die Legende. Zu den Aufnahmen brauche ich vielleicht nicht so viel zu sagen, es sind typische Produkte dieser Zeit und ich mischte mich bei den anderen Bands überhaupt nicht ein, sondern übernahm die fertigen Bänder. Wer dazu mehr wissen will, lese meine Diplomarbeit »Ich mach mir meine Goldene selbst«, denn ich habe über die Produktion dieser Scheibe meine Abschlussarbeit geschrieben. Nun zur Bierbrauerin. 1990 war die Mafia 5 Jahre alt, wir hatten 2 LPs und diversen Kleinkram produziert sowie Lizenzen für Liveaufnahmen vergeben, insgesamt waren das so etwa 50 Stücke Repertoire, wir konnten also nicht mal die Hälfte davon auf einem Konzert spielen. Und uns fiel immer noch mehr ein. Trotzdem wollten die Leute schon damals immer die ältesten Kamellen hören, vor allem die Bierbrauerin. Das war anfangs noch ganz witzig, nervte aber dann doch, weil wir immer neue Stücke nachschoben. Ich dachte mir: „Veröffentlichen wir den Kram doch, dann hören sich die Leute das auf Platte an und es läuft sich tot.“ Der Livetake ist natürlich nicht von der EBS-Allstarband, die hat es nie gegeben. Es ist die Erstbesetzung der Mafia vom ersten Konzert in der EBS/Elmshorn im April 1986, daher der Name. »Protomafia« nannte ich das später. Auf diese Weise hatten wir das erste Mal unser Repertoire von Altlasten befreit, und das funktionierte ganz gut. Seitdem haben wir immer wieder Stücke, die uns nicht mehr passten, aus dem Fundus entfernt. Gibt ja alles auf Platte. Heute, mit ca. 200 Songs, können wir nur noch 10% unserer Lieder bei einem Auftritt spielen, und es sind natürlich immer die Falschen! Ach ja, der Ruhrpott: Zu dieser Platte kann ich eigentlich gar nichts sagen, sie entstand ohne unser Zutun, wir haben niemanden einen Ball zugespielt, aber die Pottbands haben unsere Platte wohl als Anregung begriffen und ihren ganz eigenen Kram draus gemacht. Wieso auch nicht? Diese lokalpatriotischen Platten passten in die Zeit, es gab dann ja auf Part-Records auch noch die Samplerreihe »Das Beste des deutschen Rockabilly«. Als ich dann auf einem Cover Helmut Kohl mit Tolle sah, war die Sache für mich durch. Heute hat das Internet alle Gebietsgrenzen aufgehoben, ich glaube nicht, dass es noch einmal eine Entwicklung hin zu extrem lokalen Strukturen wie in den 80/90iger Jahren geben wird. Wir sind ja alle so global. Aber man weiß ja nie…

rockin and rollin: Wenn ich richtig liege, 19 Veröffentlichungen in 32 Jahren, regelmäßige Touren, eine der wenigen Bands ohne Auflösungen, Neugründung, Wiederanfang oder sonst was - sondern kontinuierlich durchgepowert. Wo ist euer Ruhepool zum Kraft tanken und woher nehmt ihr diese Power?

Michael 'Ted' Harbeck: Ich war mir eigentlich schon sehr früh darüber im Klaren, dass es einen deutlichen Unterschied zwischen Beruf und Berufung gibt. Meine Berufung ist die Rockabilly Mafia, aber die Tücke liegt darin, dass einen so eine Berufung auffrisst und gleichzeitig an Echtheit verliert, wenn man von ihr leben muss. Auch hat es keinen Zweck, sich für die Musik aufzusparen, also mit einem letztendlich ungeliebten Broterwerb zu wählen, um dann am Wochenende einen Traum zu leben, der nicht hinhaut (siehe oben). Für mich hat es also nur die folgende Lösung gegeben: Ich habe meine zweitliebste Beschäftigung, das Bibliothekswesen, zu meiner Arbeit gemacht, um meine Allerliebste so leben zu können, wie ich will. Ich glaube, das gilt mit graduellen Unterschieden für Tex und Björn genauso. Unsere Berufe sind anstrengend und erfüllend, wir sind jeder auf seine Weise erfolgreich in dem, was wir tun und können diese Professionalität mühelos auf die Mucke übertragen. Wir machen nur die Auftritte, die uns passen und arbeiten mit Leuten, die wir mögen. Im Privaten lassen wir es dann heute eher ruhig angehen und genießen die Segnungen des Familienlebens, wie verschieden das auch aussieht. Das ist unser Geheimnis, das ist unsere Freiheit, …und das ist gleichzeitig eine perfide Bankrotterklärung für den Beruf des Profimusikers, denn seine Existenz kann man so nicht sichern. Zum Glück war das nie ein Hemmschuh für unsere Kreativität. Das Internet hat das übrigens auch nicht besser gemacht: Für die Millionen Clicks auf der U-Tube haben wir nie auch nur einen Cent gesehen. Das mal nebenbei.

rockin and rollin: Gibt es ein Album, wo ihr sagen würdet, das würdet ihr neu und komplett anders machen, oder hat jedes Album für sich seine Geschichte und ist so perfekt, wie ihr es euch vorgestellt habt? Eure aktuelle Veröffentlichung »Row« ist aus meiner Sicht inhaltlich wie auch musikalisch euer bestes Album. Wie ist das Album entstanden und euer persönlicher Blick zu »Row«?

Michael 'Ted' Harbeck: Mir gefallen die Alben eigentlich alle nur als Produkte ihrer Zeit. Ich dachte meistens nach ein paar Wochen: „Mist, das spielen wir jetzt viel besser. Der Sound ist so auch doof.“ Natürlich hatten alle Platten ihre Highlights, aber so richtig zufrieden waren wir alle nie. Wahrscheinlich muss das so sein. Keine Regel ohne Ausnahme: »Row!« ist jetzt zwei Jahre alt und diese Platte finde ich immer noch total klasse. Unsere beste Scheibe bis jetzt, auch besser als einige der Aufnahmen zu »Jamboree« von 1993, die vorher meine persönlichen Favoriten waren. Dabei war die Produktion »Row!« unsere nervigste Studioepisode in all den Jahren: Nachdem wir alle Songs an einem Tag eingespielt hatten, verlangte unser damaligen Techniker wenigstens eine Woche Zeit zum Abmischen. Für mich war das eine total verkehrte Welt. Wir erledigten unsere Arbeit stante pede und sollten dann darauf warten müssen, bis ein Dritter seine Kreativität entsprechend focussiert und kanalisiert hatte, um die Knöpfe zu drehen? Wir gaben ihm einen Tag. Unter dieser Vorgabe war dann für viel von dem über die Jahre etablierten Schnickschnack und Gekurbel keine Zeit. Die Platte klingt im Ergebnis vielleicht gerade deshalb mehr nach uns als jede Platte seit 1999. Wir lernten, uns auf uns selbst und unsere persönlichen Fähigkeiten als Musiker zu besinnen. Und produzieren jetzt anderswo. Eine harte, aber künstlerisch notwendige Entscheidung.

rockin and rollin: Ich weiß, man kann es bei euch nachlesen, aber dennoch möchte ich die Frage stellen, wie entwickeln und entstehen bei euch neue Songs?

Michael 'Ted' Harbeck: Da hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Nach den Erfahrungen zu »Row!« haben wir wenigstens rudimentär in unser Ü-Raum-Equipment investiert und proben einmal pro Woche. Häufig nehmen wir Fragmente auf, an denen wir zuhause weiterarbeiten. So entstehen die Lieder jetzt deutlich kontrollierter als früher und wir verbummeln auch nicht mehr so viele gute Ideen. Die Endabnahme ist auch viel strenger geworden, die Songs sind einfach reifer, wenn wir sie plattenfertig haben. Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber in meinen Augen waren wir noch nie so gut wie heute. Echt.

rockin and rollin: 2015 mit »Row« das letzte Album, kann man bald wieder auf ein neues Album von der »Mafia« hoffen?

Michael 'Ted' Harbeck: All das eben gesagte wird Konsequenzen haben, wenn wir demnächst, wahrscheinlich im September 2017, mit unserem alten Freund Chris von Rautenkranz unsere nächste EP mit acht Stücken produzieren werden. Angedacht ist 25cm Vinyl, Arbeitstitel »Schwarze Rose«.

rockin and rollin: Die berühmten »last words« einmal für euch an eure Fans!

Michael 'Ted' Harbeck: Sie bestellen, wir sind da. Wir sind die Rockabilly Mafia.

rockin and rollin: Ich danke euch sehr für das Interview!